Willens­erklärungen nichtig machen

Anfechtung: Was Sie anfechten können und was nicht

Definition

Mit einer Anfechtung kann eine Willens­erklärung, zum Beispiel eine Vertrags­an­nahme, rück­gängig gemacht werden. Im Bürger­lichen Gesetz­buch heißt es dazu: "Wird ein (…) Rechts­geschäft ange­fochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen." (§ 142 BGB).

Nichtigkeit von Anfang an (oder auch "Nichtig­keit ex tunc") bedeutet: Wenn Sie ein Rechts­geschäft anfechten und die Anfechtung erfolgt, ist es, als hätte das Rechts­geschäft nie statt­gefunden. Die Anfechtung ist damit quasi wie ein Reset-Knopf.

Grund­sätzlich kann jedes Rechts­geschäft angefochten werden, das gänzlich rück­gängig gemacht werden kann. Ein typisches Beispiel sind Verträge. Diese können in der Regel angefochten werden. Eine Anfechtung ist beispiels­weise sowohl bei Kauf­verträgen als auch bei Arbeits­verträgen möglich. Aber auch Testa­mente zum Beispiel können ange­fochten werden.

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  • Anfechtung wegen Irrtums

    Wenn bei der Abgabe Ihrer Willens­erklärung ein Irrtum vorliegt, können Sie sie in der Regel anfechten. Es gibt verschiedene Arten von Irrtümern:

    • Inhaltsirrtum
      Ein Inhaltsirrtum liegt dann vor, wenn Sie sich zwar über die Erklärung an sich im Klaren sind, aber nicht über deren Bedeutung.

      Ein Beispiel: Sie kaufen Autoreifen. Im Inserat steht der Zusatz "ohne Felgen". Allerdings verwechseln Sie Felgen und Rad­kappen und gehen davon aus, dass diese lediglich zur Zierde dienen.
    • Erklärungsirrtum
      Hier liegt der Irrtum in der Erklärung an sich, beispiels­weise durch einen Vertipper oder einen Versprecher.

      Ein Beispiel: Sie schließen einen mündlichen Kaufvertrag mit dem Verkäufer ab. Eigentlich möchte er vier Reifen für 650 Euro verkaufen. Er verspricht sich jedoch und sagt fälschlicherweise einen Verkaufs­preis von 560 Euro statt 650 Euro.
    • Eigenschaftsirrtum
      In diesem Fall bezieht sich der vor­liegende Irrtum auf die Eigen­schaften einer Sache. Sie irren sich also in Bezug auf Merk­male der Sache oder die Begleit­umstände.

      Beispiel: Aufgrund der Profil­prägung kaufen Sie die Reifen im Glauben, Sie seien von einer bestimmten Reifen­marke. Jedoch handelt es sich nur um ein ähnliches No-Name-Produkt und nicht die erwartete Markenware.

    Gut zu wissen: Bei einer Anfechtung wegen Irrtums kann der Anfechtungs­gegner möglicher­weise Schadens­ersatz verlangen (§ 122 BGB). Schließlich entgeht ihm ohne eigenes Verschulden das geplante Rechts­geschäft, zum Beispiel der Verkauf.

    Allerdings entfällt der Anspruch auf Schadens­ersatz, wenn der Geschädigte den Grund für die Anfechtung kannte oder hätte kennen müssen. Wusste der Verkäufer also mit Sicher­heit, dass Sie irren, kann er keinen Schadens­ersatz verlangen.

  • Anfechtung wegen Falsche Übermittlung

    Wenn Sie eine Willens­erklärung abgeben, muss diese nicht immer direkt von Ihnen zum Empfänger gehen. Häufig sind noch andere Stationen zwischen­geschaltet, zum Beispiel ein Bote, ein Zwischen­händler, ein Zahlungs­portal oder die Post. Passieren bei der Über­mittlung Fehler, ist in der Regel eine Anfechtung möglich.

    Beispiel: Sie bestellen die Auto­reifen im Shop des Händlers. Durch einen technischen Fehler werden alle Bestellungen doppelt beim Händler ange­geben. Daher wurden acht statt vier Reifen bestellt.

    Auch bei der Anfechtung wegen falscher Über­mittlung kann der Anfechtungs­gegner – genau wie bei der Anfechtung wegen Irrtums – möglicher­weise Schadens­ersatz verlangen.

  • Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

    Wenn Sie von Ihrem Gegen­über bewusst in die Irre geführt wurden, ist eine Anfechtung möglich. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Ihnen falsche Tatsachen vorge­spiegelt werden. Unter Umständen kann auch das Verschweigen von wichtigen Informationen als arglistige Täuschung gelten. Voraus­setzung ist, dass die veränderte Sachlage für Ihre Entscheidung erheblich ist.

    Beispiel: Die Reifen, die Sie kaufen möchten, werden als neu und unbe­nutzt ange­priesen. Tatsächlich wurden sie aber einige Male gebraucht. Der Verkäufer rechnet sich aber bessere Verkaufs­chancen und einen höheren Preis aus, wenn er die Reifen als Neu­ware bezeichnet.

  • Anfechtung wegen Drohung

    Geben Sie eine Willens­erklärung nur ab, weil Sie wider­rechtlich bedroht und dazu gedrängt wurden, können Sie diese anfechten.

    Beispiel: Sie zögern, den Kauf­vertrag für die Auto­reifen abzu­schließen. Der Verkäufer droht Ihnen, dass er Ihr Auto zerkratzt, wenn Sie nicht unter­schreiben und bei ihm kaufen.

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Fristen
Wie lange eine Anfechtung möglich ist, regelt eben­falls das BGB. Wann die Anfechtungs­erklärung erfolgen muss, hängt vom Anfechtungs­grund ab.

Liegt ein Irrtum oder eine falsche Über­mittlung vor, müssen Sie unver­züglich, sobald Sie den Fehler entdecken, die Anfechtung mit­teilen. In § 121 BGB heißt es dazu: "Die Anfechtung muss (…) ohne schuld­haftes Zögern (unver­züglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungs­berechtigte von dem Anfechtungs­grund Kenntnis erlangt hat."

Bei einer Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung haben Sie ein Jahr Zeit, um die Anfechtung in die Wege zu leiten. Die Frist beginnt, sobald Sie von der Täuschung Kenntnis haben oder – im Falle einer Drohung – wenn Sie sich nicht mehr in der ange­drohten Zwangs­lage befinden (§ 124 BGB).

Egal aus welchem Grund Sie die Anfechtung möchten: Zehn Jahre nach der Willens­erklärung erlischt Ihr Anspruch.

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Vorgehen und Formvorgaben

Entscheidend für eine Anfechtung ist die soge­nannte Anfechtungs­erklärung. Diese ist in § 143 BGB geregelt. Darin heißt es: "Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegen­über dem Anfechtungs­gegner." Der Anfechtungs­gegner wäre bei einem Vertrag beispiels­weise der Vertrags­partner, im oben gewählten Auto­reifen-Beispiel also der Verkäufer.

Ein eindeutiges Schema für die Anfechtung oder feste Form­vor­gaben für die Erklärung an sich gibt es nicht. Einzige Voraus­setzung: Es muss eindeutig erkennbar sein, dass Sie das Rechts­geschäft wider­rufen möchten.

Ob Sie das per Brief, per Mail oder persönlich tun, ist nicht fest­gelegt. Auch muss das Wort "Anfechtung" nicht zwingend fallen. Wenn aus Ihrer Erklärung klar hervor­geht, dass Sie das Rechts­geschäft nichtig machen wollen, reicht das in der Regel schon aus. Verwenden Sie den Begriff, können Sie jedoch auf Nummer sicher gehen, dass Ihre Absichten klar sind.

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Ausschlussgründe
Auch wenn Sie theoretisch einen triftigen Grund für die Anfechtung haben, kann es sein, dass diese nicht möglich ist. Es gibt mehrere Fälle, in denen eine Anfechtung ausge­schlossen sein kann, zum Beispiel:
  • Bestätigung des Rechtsgeschäfts
    Wenn Sie als Anfechtungs­berechtigter das Rechts­geschäft bestätigen, erlischt Ihr Recht auf Anfechtung. Diese Bestätigung muss keine bestimmten Form­vor­gaben erfüllen. Selbst der Verzicht auf die Anfechtung kann als Bestätigung gelten, wenn Sie wissen, dass Sie das Rechts­geschäft anfechten könnten.
  • Ablauf der Frist
    Liegt die anzu­fechtende Willens­erklärung bei einer Drohung oder arglistigen Täuschung mehr als zehn Jahre zurück, verfällt Ihr Anspruch. Bei einem Irrtum ist das bereits nach einem Jahr der Fall.
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Anfechtung vor Gericht

Eine Anfechtungs­klage ist nicht auto­matisch für jede Anfechtung möglich. Sie gehört in der Regel zum Verwaltungs­recht und dient dazu, gegen soge­nannte Verwaltungs­akte vorzu­gehen. Das bedeutet: Sie wehren sich vor Gericht gegen eine Verfügung, Entscheidung oder andere Maß­nahmen einer Behörde. Als Verwaltungs­akt zählt beispielsweise:

  • Schulverweis
  • Polizeilicher Platzverweis
  • Steuerbescheid
  • Baugenehmigung

Auf dem Weg zur Anfechtungs­klage gibt es jedoch einige Dinge zu beachten:

Um über­haupt zulässig zu sein, muss eine Anfechtungs­klage bestimmte Voraus­setzungen erfüllen, die soge­nannten Sach­entscheidungs­voraus­setzungen. Dazu zählt beispiels­weise, dass der Verwaltungs­rechts­weg zugelassen ist, die Klage beim richtigen Gericht durch­gesetzt werden soll und dass möglicher­weise Ihre Rechte als Kläger verletzt wurden.

Eine Anfechtungs­klage ist zudem auch immer mit Kosten für die Beteiligten verbunden. Sie müssen in der Regel mit Gerichts­gebühren, Auslagen und außer­gericht­lichen Kosten rechnen. Für einen ersten Über­blick, welche finanzielle Belastung auf Sie zukommen würde, können Sie den Prozess­kosten­rechner der Allianz nutzen.

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Gut zu wissen

Sie möchten ein Rechts­geschäft anfechten, sind sich aber unsicher, ob ein passender Anfechtungs­grund vorliegt? Oder Sie brauchen eine anwaltliche Einschätzung, ob eine Anfechtungs­klage aussichts­reich ist? Die Allianz unter­stützt Sie im ersten Schritt mit der tele­fonischen Rechts­beratung, die in allen Tarifen enthalten ist. Erfahrene Anwälte und Anwältinnen beant­worten Ihre Fragen rund um das Thema Anfechtung und schätzen für Sie ein, welche Ansprüche Sie haben.

Auch bei einer außer­gerichtliche Regelung unter­stützt Sie die Allianz: Eine Mediation mit einem neutralen Streit­schlichter kann viele Auseinander­setzungen bereits regeln. Die Mediation ist in allen Allianz-Rechts­schutz-Tarifen enthalten. Sollte sich der Gang vors Gericht nicht mehr vermeiden lassen, über­nimmt die Allianz Rechts­schutz­versicherung bei gedeckten Fällen auch Anwalts­gebühren und Gerichts­kosten bis zur verein­barten Summe.

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FAQ
Weitere Fragen und Antworten zur Anfechtung
  • Wer ist zur Anfechtung berechtigt?

    Wenn Sie eine Willens­erklärung anfechten wollen, brauchen Sie einen triftigen Grund, zum Beispiel Irrtum, falsche Über­mittlung, arglistige Täuschung oder Drohung. Sofern kein Aus­schluss­grund (Bestätigung des Rechts­geschäfts oder Ablauf der geltenden Fristen) vorliegt, sind Sie in der Regel zur Anfechtung berechtigt.
  • Was passiert nach einer Anfechtung?

    Nach einer gelungenen Anfechtung ist das Rechts­geschäft von Anfang an nichtig. Das bedeutet, es wird komplett rück­gängig gemacht, als hätte es nie existiert. Bei einer Anfechtung wegen Irrtums oder falscher Über­mittlung kann der Anfechtungs­gegner unter Umständen noch Schadens­ersatz verlangen (§122 BGB).
  • Kann man eine Vollmacht anfechten?

    Pauschal kann man diese Frage nicht beantworten. Hierbei kommt es immer auf den Einzel­fall an. Je nach Voll­macht kann sich die Lage nämlich anders verhalten. Wird die Voll­macht bereits ausgeübt? Handelt es sich um eine soge­nannte Innen­voll­macht (gegen­über dem Bevoll­mächtigten erklärt) oder eine Außen­voll­macht (gegen­über dem Geschäfts­partner erklärt)?

    Hierbei sollten Sie sich anwaltlichen Rat einholen und sich für Ihren speziellen Fall informieren.

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