Besonderer Kündigungsschutz während der Schwangerschaft
Durch den besonderen Kündigungsschutz während und nach der Schwangerschaft sollen eine erhöhte psychische Belastung sowie finanzielle Sorgen vermieden werden. Außerdem soll die Mutter durch die viermonatige Schutzfrist nach der Geburt vor dem Verlust des Arbeitsplatzes geschützt werden. Insgesamt wird den Eltern so Zeit gegeben, sich ohne Druck an die neue Situation zu gewöhnen und die Option zu wählen, die am besten zur eigenen Familie passt, sei es Elternzeit oder die zeitige Rückkehr an den Arbeitsplatz. Der Kündigungsschutz nach der Geburt – der nachwirkende Kündigungsschutz – besteht unabhängig davon, ob Sie als leibliche Mutter nach Ablauf der Mutterschutzfrist wieder arbeiten wollen oder eine Elternzeit in Anspruch nehmen möchten.
Gemäß § 17 MuSchG ist die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin unzulässig. Dieser besondere Kündigungsschutz gilt dabei ab Beginn der Schwangerschaft bis vier Monate nach der Geburt. Gehen Sie daraufhin in Elternzeit, verlängert sich der Kündigungsschutz. Er greift dann bis Ablauf der Betreuungsauszeit. Kehren Sie daraufhin zurück an den Arbeitsplatz, erlischt der besondere Kündigungsschutz automatisch. Mehr dazu erfahren Sie auch in unserem Ratgeber Kündigung nach der Elternzeit.
Kündigungsschutz nach Fehlgeburt
Wann muss ich meine:n Arbeitgeber:in von der Schwangerschaft in Kenntnis setzen?
Damit Sie als werdende Mutter überhaupt erst geschützt werden können, müssen Sie Ihre:n Arbeitgeber:in über Ihre Schwangerschaft in Kenntnis setzen. Gemäß § 15 MuSchG sollen schwangere Angestellte den oder die Arbeitgeber:in unverzüglich nach Bekanntwerden der Schwangerschaft darüber informieren. Teilen Sie die Schwangerschaft ergänzend auch schriftlich mit. Sie können hier auf ein Einwurfeinschreiben zurückgreifen oder Ihrer Personalabteilung oder Ihrem oder Ihrer Vorgesetzten schlicht eine E-Mail schicken. Lassen Sie sich bei einer formlosen Notiz oder einer E-Mail am besten schriftlich bestätigen, dass diese zugegangen ist und zur Kenntnis genommen wurde.
Auch den errechneten Geburtstermin sollten Sie der Personalabteilung oder Ihrer oder Ihrem Vorgesetzten direkt mitteilen. Anhand dessen wird unter anderem die Mutterschutzfrist für das Beschäftigungsverbot vor und nach der Geburt berechnet. Dabei greift der Mutterschutz in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach dem errechneten Geburtstermin.
Im Übrigen gilt dabei, dass der Kündigungsschutz 280 Tage vor dem errechneten Geburtstermin greift. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Anfang 2023 veröffentlichten Urteil (Az. 2 AZR 11/22). Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die gekündigt wurde, als sie noch nichts von Ihrer Schwangerschaft wusste. Der Arbeitgeber bezweifelte anhand des errechneten Geburtstermins, dass seine Angestellte zum Zeitpunkt der Kündigung bereits schwanger war. Nachdem zunächst zwei Gerichte sich auf die Seite des Arbeitgebers gestellt hatten, stärkte das Bundesarbeitsgericht schließlich der Angestellten den Rücken. Eine Schwangerschaft dauere bis zu 280 Tage und entsprechend greife der Kündigungsschutz auch schon zu diesem Zeitpunkt. Dass eine durchschnittliche Schwangerschaft nur 266 Tage dauere, sei irrelevant.
Rückwirkender Kündigungsschutz in der Schwangerschaft
Haben Sie Ihren Arbeitgeber nicht darüber informiert, dass Sie schwanger sind, und erhalten Sie eine Kündigung, so können Sie dies innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Kündigung nachholen. Auch dann ist die Kündigung unwirksam. Stellen Sie erst nach der Kündigung fest, dass Sie schwanger sind, so kann sich die Frist sogar verlängern. In diesem Fall müssen Sie Ihren Arbeitgeber unverzüglich darüber in Kenntnis setzen. Auch dann greift rückwirkend der besondere Kündigungsschutz für Schwangere.
Ein Beispiel: Ihnen wurde Anfang März gekündigt und Ende April stellen Sie überrascht fest, dass Sie bereits im dritten Monat schwanger sind. In diesem Fall sollten Sie Ihren Arbeitgeber darüber informieren und auch darauf hinweisen, dass die Kündigung unwirksam ist. Einzige Voraussetzung ist, dass Sie zum Zeitpunkt der Kündigung bereits schwanger waren. Sind Sie erst danach schwanger geworden, können Sie sich nicht auf den Sonderkündigungsschutz berufen.
Kündigungsschutz bei Schwangerschaft schon vor Aufnahme des Arbeitsverhältnisses
Während des Arbeitsverhältnisses besteht der Sonderkündigungsschutz in jedem Fall. Dennoch ist der Wortlaut nicht ganz eindeutig und es gab lange Zeit unterschiedliche Auffassungen davon, ob der Sonderkündigungsschutz für Schwangere auch nach Abschluss eines Arbeitsverhältnisses, aber vor tatsächlichem Arbeitsbeginn besteht.
Ein aktuelles Fallbeispiel: In einem Fall aus dem Jahr 2020 schloss die Klägerin einen Arbeitsvertrag mit einer Rechtsanwaltskanzlei. Dort sollte sie zum 1. Februar 2018 ihre Arbeit als Rechtsanwaltsfachangestellte beginnen. In der 6-monatigen Probezeit wurde eine beidseitige Kündigungsfrist von 2 Wochen vereinbart. Mit einem Schreiben vom 18. Januar 2018 – also noch vor Aufnahme der Tätigkeit – informierte sie ihren Arbeitgeber, dass bei ihr eine Schwangerschaft festgestellt wurde und dass ihr aufgrund einer chronischen Vorerkrankung mit sofortiger Wirkung ein Beschäftigungsverbot attestiert worden sei. Ihr Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Die schwangere Arbeitnehmerin klagte, da ihrer Auffassung nach die Kündigung aufgrund des Kündigungsverbots gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) unwirksam sei.
Das BAG stellte sich auf die Seite der Klägerin und entschied schließlich, dass der Sonderkündigungsschutz gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin gemäß § 17 Abs.1 Satz 1 Nr.1 MuSchG auch für eine Kündigung vor der vereinbarten Aufnahme der Tätigkeit gilt. Als Voraussetzung gilt, dass dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt sein musste oder dass sie ihm innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt der Kündigung mitgeteilt worden ist (BAG-Urteil vom 27.02.2020, Az. 2 AZR 498/19).
Mehr Informationen zu Verfahren vor dem Arbeitsgericht erfahren Sie in unserem ausführlichen Ratgeber zum Thema Arbeitsgericht.
Ausnahmen beim Kündigungsschutz für Schwangere
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass bei schwangeren Angestellten vorrangig eine verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Kündigung möglich ist. Dies ist etwa denkbar, wenn …
- eine Insolvenz bevorsteht und die Betriebsschließung unabdingbar ist.
- es sich um einen Kleinbetrieb handelt und dieser den langen Ausfall der werdenden Mutter wirtschaftlich nicht verkraften würde.
- die schwangere Angestellte schwere Pflichtverletzungen begangen hat, z. B. Diebstahl oder Weitergabe von Betriebsgeheimnissen.
Will ein Betrieb einer werdenden Mutter kündigen, ist in jedem Fall die vorherige Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde nötig. Häufig handelt es sich dabei um die jeweilige Gewerbeaufsicht. Beim Bundesamt für Familie finden Sie eine Übersicht der jeweiligen Aufsichtsbehörden. Kündigt Ihr:e Arbeitgeber:in Ihnen ohne die nötige Zustimmung, so ist die Kündigung unwirksam.
Entschädigung nach unwirksamer Kündigung in der Schwangerschaft möglich
Was tun bei einer Kündigung in der Schwangerschaft?
Haben Sie eine Kündigung erhalten und ist diese aufgrund Ihrer Schwangerschaft unwirksam, so sollten Sie dieser zunächst schriftlich widersprechen und Ihren Arbeitgeber dazu auffordern, die Kündigung zurückzuziehen.
Lässt sich dieser nicht darauf ein und besteht er stattdessen auf die Kündigung, sollten Sie schnellstmöglich beim zuständigen Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage einreichen. Doch Sie müssen schnell sein, denn die Frist beträgt nur drei Wochen ab Zugang der Kündigung. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage wird dann geprüft, ob die Kündigung rechtens ist oder nicht. Erklärt das Gericht die Kündigung für unwirksam, läuft das Arbeitsverhältnis ganz normal weiter. Stand jedoch einmal eine Kündigung im Raum, haben meist weder Arbeitgeber:in noch Arbeitnehmer:in ein Interesse an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses. In den meisten Fällen enden Kündigungsschutzklagen daher mit einem Vergleich: Als Arbeitnehmerin lassen Sie sich auf die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein und im Gegenzug dazu erhalten Sie eine Abfindung.
Da die Kündigung einer schwangeren Angestellten nur in absoluten Ausnahmefällen rechtens ist, stehen Ihre Chancen bei einer Kündigungsschutzklage gut. Verfügen Sie über eine Berufsrechtsschutzversicherung, so übernimmt diese in der Regel die Anwalts- und Gerichtskosten bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme.
Das leistet die Allianz
Um schwangere Arbeitnehmerinnen vor Sorgen zu bewahren, sieht das Gesetz einen umfassenden Kündigungsschutz vor. Nichtsdestotrotz setzen sich Arbeitgeber häufig darüber hinweg und greifen zur Kündigung – meist unrechtmäßig.
Mit der Allianz Rechtsschutzversicherung sind Sie in dieser unangenehmen Situation bestens abgesichert. So steht Ihnen in jedem Tarif als erste Anlaufstelle die telefonische Rechtsberatung zur Verfügung, wo Sie unkompliziert Rat bei erfahrenen Anwälten einholen können.
Ist eine Kündigungsschutzklage unumgänglich, übernimmt Ihre Berufs-Rechtsschutzversicherung der Allianz die Anwalts- und Gerichtskosten bis zur vereinbarten Versicherungssumme. Die Allianz Rechtsschutzversicherung unterstützt auch, wenn es z. B. zu rechtlichen Problemen bei der Beantragung von Elternzeit, dem Eltern- oder Kindergeld kommen sollte.
Fragen und Antworten rund um den Kündigungsschutz in der Schwangerschaft
Schwanger in der Probezeit: Kann ich gekündigt werden?
Können Schwangere mit befristeten Verträgen gekündigt werden?
Kann ich als schwangere Angestellte selbst kündigen?
Was ist bei einer einvernehmlichen Kündigung in der Schwangerschaft zu beachten?
Juristisch gesehen gibt es keine einvernehmliche Kündigung. Bei einer Kündigung handelt es sich immer um eine einseitige Willenserklärung, bei der es keiner Zustimmung bedarf. Dennoch ist es natürlich möglich, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden, etwa mit einem Aufhebungsvertrag. Hierbei stimmen Sie als Arbeitnehmerin der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu und erhalten dafür im Regelfall eine Abfindung von Ihrem Arbeitgeber oder Ihrer Arbeitgeberin. Doch Vorsicht: Informieren Sie sich gut über mögliche Folgen einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. So kann die Bundesagentur für Arbeit als Konsequenz eine Sperre des Arbeitslosengeldes für zwölf Wochen verhängen. Grund dafür ist, dass Sie freiwillig vom Angestelltenstatus in die Arbeitslosigkeit gewechselt haben.
Sind weder Sie noch Ihr:e Chef:in an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses interessiert, doch kommen Sie auf keinen gemeinsamen Nenner, können Sie eine:n Mediator:in – eine Art Vermittler:in – zurate ziehen. Gemeinsam erarbeiten Sie in den Mediationsterminen eine Lösung, die für beide Parteien zufriedenstellend ist. In geeigneten Fällen kann Ihnen die Allianz Konfliktlösungen mithilfe unabhängiger Mediatoren und Mediatorinnen anbieten.