Der Arzt hat mich für eine Woche krankgeschrieben. Doch nach zwei Tagen fühle ich mich wieder fit. Darf ich trotz Krankschreibung wieder zur Arbeit gehen? Und bin ich dort überhaupt versichert?
Wir haben uns über die Rechtsgrundlage bei Rechtsanwalt Oliver Kieferle von der Kanzlei Wolff Schultze Kieferle, Fachanwälte mit Schwerpunkt Arbeitsrecht in München informiert:
Herr Kieferle, angenommen, ich bin als Angestellter eine Woche krankgeschrieben, aber fühle mich nach zwei Tagen wieder fit. Darf ich trotz Krankmeldung arbeiten gehen?
RA Oliver Kieferle: Grundsätzlich schon. Es gibt keine gesetzliche Regelung, die das Arbeiten trotz Krankschreibung verbietet. Denn, was viele nicht wissen: Die Krankschreibung stellt kein Arbeitsverbot dar. Die „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ – abgekürzt „AU“ –, die der Arzt ausstellt, erfüllt vor allem zwei Funktionen: Sie dient als Feststellung, dass jemand zum aktuellen Zeitpunkt nicht in der Lage ist, seine jeweilige Tätigkeit zu erledigen. Und als Prognose, wie lange dieser Zustand voraussichtlich andauert. Natürlich kann es sein, dass diese Prognose nicht eintrifft und jemand früher wieder arbeitsfähig ist.
Ist man verpflichtet, seinen Arbeitgeber über eine AU zu informieren, wenn man krankgeschrieben arbeiten möchte?
§ 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes regelt, dass ein Arbeitnehmer bei einer länger als drei Kalendertage dauernden Krankheit eine AU vorlegen muss. Allerdings geht diese Norm vom Regelfall aus, nämlich dass der Arbeitnehmer zum Zweck der Entgeltfortzahlung den Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit erbringen muss. Dennoch würde ich eine vertragliche Pflicht zur Information auch für den Fall bejahen, dass der Arbeitnehmer trotz AU arbeiten will. Denn der Arbeitgeber muss die sich aus dieser Situation grundsätzlich ergebenden rechtlichen Konsequenzen einschätzen können, etwa wenn sich der eigentlich krankgeschriebene Arbeitnehmer verletzt.
Das müssten Sie bitte genauer erklären!
In einem solchen Fall tauchen Fragen auf wie: War aufgrund der AU zu erwarten, dass eine Gefahr für den Arbeitnehmer bestand? Oder für Dritte? Das wiederum birgt auch Risiken für den Arbeitgeber, weil der eine Fürsorgepflicht wahrzunehmen hat. Daher würde ich sagen: Ja, über ein entsprechendes Attest muss man seinen Arbeitgeber informieren. Und dann muss dieser entscheiden, ob er es zulässt, dass der Arbeitnehmer seiner Tätigkeit trotz AU nachgeht.
Existieren Sonderregelungen bei ansteckenden Krankheiten?
Nicht explizit, aber es gelten auf jeden Fall besondere Sorgfaltspflichten für beide Seiten. Für den Arbeitgeber in verstärktem Maße, da seine Fürsorgepflicht auch gegenüber Kollegen des Arbeitnehmers oder Dritten gilt, die ebenfalls krank werden könnten. Generell sind solche Fragen anhand der Einzelfallumstände zu beantworten. Aber angenommen, ein Lehrer ist wegen einer Grippe krankgeschrieben und kommt dennoch mit Fiebersymptomen in die Schule. Dann wäre der Rektor sicher gut beraten, ihn wieder nach Hause zu schicken.
Gilt die gesetzliche Unfallversicherung, wenn ich krankgeschrieben bin und trotzdem arbeiten gehe? Etwa, wenn ich im Büro umknicke und mir den Fuß breche.
Ja, das tut sie. Teilweise wird zwar behauptet, dass in einem solchen Fall kein Versicherungsschutz bestehe. Dies trifft aber nicht zu. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung greift grundsätzlich auch in diesen Fällen. Für zusätzlichen Schutz bei Arbeitsunfällen kann eine private Unfallversicherungfür Sie sinnvoll sein.
Und die berufliche Haftpflicht? Angenommen, ich arbeite krankgeschrieben und kippe Cola über den Laptop der Firma...
Bei der Verursachung von Schäden an Sachen, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, gelten die Grundsätze der sogenannten Arbeitnehmer-Haftung. Ob Sie dabei krankgeschrieben arbeiten oder unter „normalen“ Bedingungen, macht grundsätzlich keinen Unterschied.
Was besagt die „Arbeitnehmer-Haftung“?
Vereinfacht gesagt gilt, dass der Arbeitnehmer bei Schäden, die er leicht fahrlässig verursacht, generell nicht haftet. Bei Schäden hingegen, die er grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht, kann es durchaus sein, dass er sie nicht nur anteilig, sondern voll begleichen muss. Wichtig ist also vor allem der „Verschuldensgrad“. Die Abstufung zeigt aber auch: Wieder einmal sind es Einzelfallfragen, die nicht pauschal beantwortet werden können.