Netzsperre letzter Ausweg bei Urheberrechtsverletzung

(20.10.2022) Wenn Inhalte wegen einer Verletzung des Urheberrechts zu Unrecht auf einer Website zu finden sind, wollen Betroffene diese schnellstmöglich entfernt wissen. Jedoch sei eine Sperrung der Seite nur der letzte Ausweg – so urteilte jetzt der Bundesgerichtshof. Vorher alternative Wege zu versuchen, zum Beispiel ein Eilverfahren, sei in der Regel zumutbar (Az. I ZR 111/21). 
Im vorliegenden Fall hatten mehrere Wissenschaftsverlage aus verschiedenen Ländern gegen die Deutsche Telekom geklagt. Der Grund: Urheberrechtlich geschützte Werke seien kostenlos auf den Seiten der Dienste "LibGen" und "Sci-Hub" verfügbar gewesen. Die Betreiber der Dienste reagierten jedoch nicht auf Anfragen oder waren gar nicht erst auffindbar. Auch eine außergerichtliche Einigung mit dem Hostprovider scheiterte, weshalb die Verlage eine Netzsperre beantragten.
Das Landgericht München hielt in erster Instanz die Netzsperre für gerechtfertigt. Sie sei zumutbar, effektiv und verhältnismäßig. Eine Gefahr, legale Inhalte damit übermäßig zu blocken, sah das Gericht nicht, da die betreffenden Seiten zum Großteil illegale Inhalte hätten.

Das Oberlandesgericht München hob die Entscheidung in zweiter Instanz jedoch auf. Die Verlage hätten nicht alle ihnen zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft. Da einer der Provider in Schweden und damit in der EU sitzt, hätten sie gerichtliche Schritte einleiten müssen, um den Namen des Websitebetreibers zu erfahren. Das Gericht nahm an, dass es im schwedischen Recht eine solche Möglichkeit gibt.

Der Fall ging vor den Bundesgerichtshof. Dieser entschied: Eine Netzsperre sei nur der letzte Ausweg. Die Verlage hätten zumindest vor einem deutschen Gericht versuchen müssen, einen Auskunftsanspruch gegen den schwedischen Provider zu erreichen. So hätten Sie den Betreiber des Dienstes in Erfahrung bringen können. Allerdings habe das Urteil des OLG München einen Rechtsfehler: Das Gericht hätte prüfen müssen, ob es in Schweden tatsächlich die Möglichkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes gibt. Denn das Gericht dürfe keine Maßnahmen auferlegen, die die Durchsetzung der Ansprüche enorm verzögern. 

Damit folgt der BGH seiner bisherigen Linie: Bei Urheberrechtsverstößen haften zunächst der Betreiber der Seite und der Host-Provider, der den Server bereitstellt. Erst dann kommt der Access-Provider, in diesem Fall die Deutsche Telekom, ins Spiel. Allerdings sei eine Sperre durchaus möglich, wenn umfassende Bemühungen im einstweiligen Rechtsschutz scheitern.

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