Feb. 27, 2020
Nicht nur Erwachsene, die Unfälle verursachen, können für Schäden haftbar gemacht werden. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) entschied nun, dass auch Kinder für selbst verursachte Schäden und Verletzungen haften können. Im konkreten Fall ging es um ein achtjähriges Mädchen, das durch Unachtsamkeit einen Unfall beim Fahrradfahren verursacht hat.
Eine Familie, die ihren Sommerurlaub am Gardasee verbrachte, unternahm mit ihren Fahrrädern einen Ausflug an die Uferpromenade. Während die Eltern ihre Fahrräder neben sich herschoben, fuhr ihre achtjährige Tochter auf ihrem Fahrrad voraus. Dabei drehte sie sich zu ihren Eltern und den am Ufer liegenden Booten um und verließ so unbewusst ihre Fahrspur. Das Mädchen steuerte auf zwei Spaziergängerinnen zu und konnte, obwohl die Eltern es noch warnten, nur noch eine Vollbremsung einleiten. Zwar versuchte auch die Klägerin noch auszuweichen, verlor aber trotzdem ihr Gleichgewicht. Sie stürzte auf einen Betonsockel und landete anschließend unbequem im Hafenbecken. Dabei zog sie sich mehrere Verletzungen zu, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Das nahm sie zum Anlass, das junge Mädchen und seine Eltern auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld zu verklagen.
Keine Verletzung der Aufsichtspflicht
Vor dem Landgericht Hannover blieb sie mit ihrer Klage vorerst erfolglos. Recht bekam die Klägerin erst in der nächsthöheren Instanz. Das OLG Celle änderte das vorherige Urteil des Landgerichts ab und verurteilte das Mädchen zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Gleichzeitig betonte es aber, dass die Eltern ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt haben. Schließlich waren sie in Ruf- und Sichtweite ihrer Tochter und warnten sie noch durch Rufe vor dem Aufprall. Dementsprechend können die Eltern nicht haftbar gemacht werden.
Mädchen war sich der Gefahr bewusst
Ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts war letztlich, dass das Mädchen altersgerecht entwickelt ist und bereits seit seinem fünften Lebensjahr Fahrrad fährt. Weil das Mädchen also schon Erfahrung in der Teilnahme am Straßenverkehr hatte, war es sich bewusst, dass es unerlässlich ist, während der Fahrt nach vorne zu schauen und auf andere Verkehrsteilnehmer zu achten. Das bestätigte sich auch in einer persönlichen Anhörung des 14. Zivilsenats. Ebenso handelte das Mädchen laut OLG-Urteil nicht reflexartig, wie etwas beim Nachlaufen eines Balles. Deshalb ist das Kind laut Gericht für die Verletzungen der Fußgängerin verantwortlich und muss den Schaden ersetzen. Um sein Taschengeld fürchten muss sich das Mädchen jedoch nicht, da die private Haftpflichtversicherung der Eltern die Kosten trägt.
Gut zu wissen: Kinder unter sieben Jahren haften laut § 828, Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht für Schäden, die sie anderen zufügen. Verursacht Ihr Kind also einen Schaden und Sie haben als Elternteil Ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt, haben Geschädigte keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Bei Kindern, die zwischen sieben und zehn Jahre alt sind, verhält es sich wie im Urteil: Ist das Kind altersgerecht entwickelt und verfügt über genügend Einsichtsfähigkeit und konnte beispielsweise sein Fehlverhalten erkennen, muss es unter Umständen selbst haften.
Wichtig: In Deutschland unterliegen rechtskräftig festgestellte Ansprüche, wie beispielsweise Schadensersatzansprüche, einer dreißigjährigen Verjährungsfrist. Hat das Kind also nicht genügend Geld oder haben die Eltern keine ausreichende Versicherung, kann das Kind auch nach mehreren Jahren, wenn es ein eigenes Einkommen hat, zur Verantwortung gezogen werden.
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