EuGH fordert Arbeitszeiterfassung
(28.06.2019) Die zulässige Höchstarbeitszeit ist in Deutschland stark reglementiert und gilt gemeinhin als arbeitnehmerfreundlich. Das Problem: Die Arbeitszeit muss nicht dokumentiert werden, was hierzulande laut Statistischem Bundesamt zu über einer Milliarde unbezahlten Überstunden pro Jahr führt.
Das könnte nun jedoch ein Ende haben, denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) verpflichtete Arbeitgeber mit Urteil vom 14. Mai 2019 zur exakten Erfassung der Arbeitszeit (Az. C-55/)
EuGH: Ohne Zeiterfassung kein Arbeitnehmerschutz
Gemäß deutschem Arbeitszeitgesetz gilt: Pro Tag sind maximal acht Stunden Arbeit erlaubt, nach sechs Stunden muss der Arbeitnehmer eine Pause eingelegen und zwischen zwei Schichten muss er mindestens elf Stunden ruhen. Ausnahmsweise sind auch Abweichungen – etwa in Form von Überstunden – möglich, doch muss der Arbeitgeber die zusätzliche Leistung entweder vergüten oder einen Freizeitausgleich anbieten.
Damit schneidet der deutsche Arbeitnehmer im europäischen Vergleich gut ab. Nichtsdestotrotz macht ein Angestellter einem Report des Statistischen Bundesamts zufolge im Durchschnitt 53 Überstunden pro Jahr – etwa die Hälfte davon unbezahlt.
Der Europäische Gerichtshof entschied nun, dass effektiver Arbeitnehmerschutz die Dokumentation der Arbeitszeit voraussetze. Die Gesetzgeber sind daher dazu aufgefordert, sich entsprechende Lösungen für dieses Problem zu überlegen und unter Umständen nationale Gesetze anzupassen.
Arbeitgeberverbände äußern Kritik
Wie genau die Arbeitszeit künftig erfasst werden soll, bleibt wohl den Unternehmen selbst überlassen. Zumindest machten die luxemburgischen Richter dahingehend keine Vorgaben. Möglich ist beispielsweise die klassische Dokumentation per Stechuhr oder Papier. Aber auch digitale Hilfsmittel wie Apps oder zuverlässige Online-Tools sind erlaubt. Der Arbeitgeber kann auch den Arbeitnehmer selbst mit der Erfassung seiner Arbeitszeit beauftragen, allerdings muss dies entsprechend kontrolliert werden.
Während Gewerkschaften die Entscheidung feiern, äußern vor allem Arbeitgeberverbände Kritik und betrauern das Ende der Vertrauensarbeitszeit. Der zusätzliche Schutz, den die neue Regelung mit sich bringen soll, ginge für den Arbeitnehmer auf Kosten der Flexibilität – und gerade diese sei für immer mehr Menschen von wachsender Bedeutung. Immerhin seien Homeoffice und großzügige Gleitzeitregelungen keine Seltenheit mehr.
Wann die verpflichtende Arbeitszeiterfassung für Arbeitgeber kommt, ist noch unklar. Die Richter am Europäischen Gerichtshof setzten keine explizite Frist, forderten die Gesetzgeber jedoch zur möglichst schnellen Umsetzung der neuen Regelung auf.
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