Mischa Zverev im Interview: „Parasportler verdienen eine große Bühne“

Herr Zverev, woher kommt Ihre Leidenschaft für das Thema Inklusion, die Sie unter anderem als Turnierdirektor der Allianz Para Trophy unter Beweis stellen?
Ich bin schon lange aktiv im Tennissport und habe immer wieder Kontakt zum Rollstuhltennis. Ich bewundere die Rollstuhltennisspieler und -spielerinnen für ihre beeindruckende Leistung. Wie sie Tennis spielen und sich bewegen, das ist unfassbar, denn es ist körperlich und emotional sehr anstrengend. Der Jetlag, das Training, die Reisen – Parasportler unterscheidet das nicht von anderen Sportlerinnen und Sportlern. Allerdings verdienen sie viel weniger und bekommen weniger Aufmerksamkeit. Es ist derselbe Sport, aber der Aufwand ist für Menschen mit Behinderung noch höher. Sie verdienen eine große Bühne und dabei kann ich sie unterstützen. Ich mache das sehr gerne und hoffe, dass ich dazu beitragen kann, dass der Sport wächst und mehr Aufmerksamkeit gewinnt.
Was unterscheidet die Allianz Para Trophy von anderen Turnieren?
Die Allianz Para Trophy gleichzeitig mit den BMW Open auf einer Anlage auszutragen, setzt ein Zeichen. Die Spieler tragen ihre Matches im Zentrum der Aufmerksamkeit aus und nicht auf einem Randplatz. Viele Turniere weltweit können sich daran ein Beispiel nehmen. Der Iphitos Club mit der Allianz Para Trophy und den BMW Open war eines der ersten Turniere weltweit, bei dem wir das so umgesetzt haben. Nun wollen wir die Allianz Para Trophy zu einem Turnier mit Tradition entwickeln. Ziel ist es, daraus ein Event zu machen, auf das man sich das ganze Jahr freut und es kaum erwarten kann, im nächsten Jahr wiederzukommen.
Wie hat diese Arbeit Ihre eigene Sicht auf den Sport verändert?
Ich kenne einige der Rollstuhltennisspieler und ihre persönlichen Geschichten seit vielen Jahren. Einige wurden mit einer Behinderung geboren, andere hatten Unfälle oder Krankheiten. Es ist faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich Menschen mit Herausforderungen umgehen. Parasportler sind in vielerlei Hinsicht ein Vorbild, sowohl für die Allgemeinheit als auch für Leistungssportler und -sportlerinnen. Wie diese Menschen Leistungssport betreiben, Unternehmen führen und Familien gründen, ist beeindruckend. Trotz Anspannung oder Stress schaffen sie es, eine Balance in ihrem Leben zu finden. Das ist bewundernswert.
Mit welchem Gefühl werden die Besucher:innen nach dem Para Trophy Turnier nach Hause gehen?
Oft wissen die Menschen, die zum ersten Mal kommen, nicht genau, was sie erwartet und sind überrascht vom hohen Niveau des Spiels. Im Tennis sieht man manchmal, dass einige gehen, wenn das Match nicht spannend ist. Beim Rollstuhltennis ist das anders. Die Zuschauerinnen und Zuschauer, die kommen, bringen meist noch mehr Leute mit, weil sie die Leistung so begeistert. Nicht nur die Schläge beeindrucken, sondern auch die Bewegungen auf dem Platz, die Routine, die Kommunikation mit dem Team und die Emotionen zwischen den Ballwechseln. Ich habe mich selbst einmal in den Rollstuhl gesetzt und kann aus Erfahrung sagen, dass das körperlich unglaublich anstrengend ist.
Was können wir von Parasportler:innen lernen?
Wir hatten bei den BMW Open und der Allianz Para Trophy schon Tage mit extrem niedrigen Temperaturen – es hat sogar einmal geschneit. Die ATP-Tennisspieler äußerten sich über die weichen Plätze und die kalten, nassen Bedingungen, die das Spielen erschwerten. Gleichzeitig, nur 50 Meter entfernt, spielten die Rollstuhlfahrer bei der Allianz Para Trophy ihre Matches. Sie zeigten eine bemerkenswerte Einstellung, indem sie hart kämpften, ohne sich über das Wetter oder die Platzverhältnisse zu beschweren. Diese positive Haltung kann man aber nicht nur auf Sportlerinnen und Sportler übertragen. Oft ärgern wir uns über Kleinigkeiten, wie das Wetter. Es geht um die richtige Einstellung und bei Parasportlern scheint das Glas immer halb oder sogar fast voll zu sein. Leider neigen viele Menschen dazu, zu viele Dinge negativ zu sehen, da können wir uns wirklich ein Beispiel an den Parasportlerinnen und -sportlern nehmen.
Was bedeutet Inklusion für Sie?
Für mich bedeutet Inklusion, dass es keine Grenzen gibt und jeder Mensch unabhängig von seinem körperlichen oder emotionalen Zustand die Möglichkeit hat, das zu tun, was er liebt und worauf er Lust hat. Dazu gehören befahrbare Gehwege für Menschen im Rollstuhl und andere Maßnahmen, die Menschen mit Behinderungen das Leben erleichtern. Es geht darum, Inklusion aktiv zu leben und sicherzustellen, dass jeder und jede die Möglichkeit hat, etwas auszuüben, auch wenn es komplizierter sein mag. Inklusion bedeutet, nicht sofort „Nein“ zu sagen, sondern erst einmal alles zu versuchen, um etwas möglich zu machen.
Wie können Turniere wie die Allianz Para Trophy zur Inklusion beitragen?
Es geht beim Thema Inklusion darum, Berührungsängste abzubauen. Viele Menschen wissen nicht, wie das Leben von Parasportlern und -sportlerinnen aussieht. Bei vielen Sportveranstaltungen sind Aufwärmbereiche, Umkleiden, Essensausgaben oder Fitnessräume der Teilnehmenden mit und ohne Behinderung voneinander getrennt. Bei den BMW Open und der Allianz Para Trophy ist das nicht so. Wir wollen Menschen zusammenzubringen.
Sie arbeiten eng mit Ihrer Familie zusammen und leben Zusammenhalt. Was bedeutet Zusammenhalt für Sie persönlich?
Den Zusammenhalt, den man mit der Familie hat, findet man sonst nirgendwo. Für uns ist die Familie das Wichtigste, sie hat immer oberste Priorität. Natürlich ist es normal, dass in einer Familie unterschiedliche Meinungen und Diskussionen entstehen. Zusammenhalt bedeutet nicht, dass man immer einer Meinung ist. Wichtig ist es, einander zuzuhören und zu vertrauen. Ohne Vertrauen gibt es keinen Zusammenhalt. Dieses Vertrauen ist in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft etwas verloren gegangen, deshalb ist es wichtig, daran zu arbeiten. Zusammenhalt bedeutet für mich aber auch, sich selbst zurücknehmen zu können, um anderen zu helfen. Und manchmal gilt in der Familie auch die Devise: Der Klügere gibt nach.
Das Interview haben geführt: Theresa Graßl & Lara Cardoso Nunes
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Was genau ist die Allianz Para Trophy eigentlich?
Die Allianz Para Trophy ist ein hochkarätiges Rollstuhltennis-Turniers, das Teil der BMW Open ist und als offizielles ITF Grade 1 Event der UNIQLO Wheelchair Tennis Tour stattfindet. Dieses Turnier ist vergleichbar mit einem ATP-500er-Event und bietet den Athleten die Möglichkeit, wertvolle Weltranglistenpunkte zu sammeln. Dies zieht die besten Rollstuhltennis-Athleten der Welt an – wie Alfie Hewett, Gustavo Fernández und Gordon Reid.
Trotz steigender Beliebtheit ist Rollstuhltennis in der Tenniswelt noch nicht sehr bekannt. Die Allianz engagiert sich mit ihren Sportpartnerschaften für eine inklusivere Gesellschaft, in der sich alle Menschen sicher und geborgen fühlen. Die Förderung der Allianz Para Trophy ist ein wichtiger Bestandteil dieser Mission, denn Turniere wie dieses sind entscheidend, um das Bewusstsein für die sportlichen Leistungen und die Inklusion von Menschen mit Behinderung zu erhöhen.
Das gute Gefühl gut aufgehoben zu sein
Die Allianz möchte den Menschen das Gefühl vermitteln, gut aufgehoben zu sein, und das von dem Moment an, in dem sie mit der Allianz in Verbindung kommen. Mit unseren Partnerschaften leisten wir einen wichtigen Beitrag für eine gesündere und inklusivere Gesellschaft, in der das Miteinander und der Zusammenhalt im Vordergrund stehen, und die Menschen positiv in die Zukunft blicken. Unsere Partnerschaften bieten dafür viele Anknüpfungspunkte. So können wir das Bewusstsein der Menschen für Themen wie Gesundheit und Bewegung stärken sowie wichtige Werte wie Motivation, Teamgeist, Gemeinschaftsgefühl und Respekt füreinander vermitteln.