Grillen wie die Weltmeister:
Die fetten Jahre sind vorbei

24. Juli 2022 – Text: Christian Parth
Deutschland ist die Grillnation schlechthin. Neben Würstchen und Steaks kommt auch immer mehr Gemüse auf den Rost. Zwei Grillexpertinnen erklären im Interview, woher der Trend kommt, welche Fehler beim Grillen vermieden werden sollten und wieso Fleisch dann doch gesünder ist als sein Ruf 

Mit dem Sommer steigen in den Parks, Gärten und Laubensiedlungen wieder aromatisch duftende Rauchsäulen in den Himmel. Nirgendwo sonst in Europa, heißt es, wird so gerne und häufig gegrillt wie in Deutschland. Fast 40 Prozent der Bundesbürger werfen alle zwei Wochen den Grill an, belegt die Grillstudie des Berliner Marktforschungsunternehmens POSpulse aus dem Jahr 2021. Ein Viertel der Befragten grillt demnach sogar wöchentlich.

Doch auch bei der Zubereitung von Mahlzeiten auf glühenden Kohlen oder der Gasflamme hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan: Die Menschen sind hinsichtlich des Konsums bewusster geworden. Zwar ist Fleisch mit 85 Prozent noch immer Grillgut Nummer eins, doch immerhin etwa 55 Prozent sagen, dass beim Grillen das Gemüse nicht fehlen dürfe. Auch beim Kauf des Fleischs legen die Griller zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit. Jeder Zweite achtet laut Studie auf artgerechte Haltung und regionale Herkunft. Immerhin jedem Vierten ist ein Bio-Siegel wichtig.

Bei Weitem nicht überall kommt Schweinenackensteak auf den Rost. Denn Grillen geht auch gesundheitsbewusst. Die am häufigsten gegrillte Fleischart ist mit 77 Prozent das eher magere Hühnchen. Immerhin ein Viertel der Befragten hat sich vorgenommen, künftig mehr vegetarisch zu grillen. Die Grillprofis Bettina Seitz und Oliver Sievers verraten im Gespräch, worauf es bei einem gelungenen und gesunden Grillabend ankommt und welches ihre Lieblingsrezepte sind.

Bettina Seitz, 54, arbeitet seit 22 Jahren als Köchin. Vor 20 Jahren entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs Grillen, fünf Jahre später eröffnete sie in bayrisch Schwaben ihre eigene Koch- und Grillschule; seit 2015 ist sie im schleswig-holsteinischen Neumünster ansässig. 2011 wurde sie in den USA Vize-Grillweltmeisterin.

Frau Seitz, Sie betreiben eine Kochschule, sind Fleisch-Sommelière und selbst ernannte Fleischbotschafterin. Woher rührt Ihre Leidenschaft für dieses Lebensmittel?

Im Prinzip wurde mir das Kochen von der Mama in die Wiege gelegt. Zunächst aber musste ich etwas Bodenständiges lernen, ich ließ mich also zur Bürokauffrau ausbilden. Doch die Küche hat mich immer fasziniert, deshalb habe ich vor etwas mehr als 25 Jahren auf Köchin umgesattelt. In dieser Zeit habe ich gelernt, dass die Zubereitung und der Genuss von Fleisch ein bedeutender Teil unserer Esskultur sind. Vieles davon ist in Deutschland leider in Vergessenheit geraten. Die Menschen kaufen häufig billiges, abgepacktes Fleisch aus dem Supermarkt, das im schlimmsten Fall auch noch in Fertigmarinade schwimmt. So etwas kommt bei mir nicht auf den Grill. Mit Genuss hat das nichts zu tun. 

Rezept für Hähnchenbrust Saltimbocca von Bettina Seitz

Worauf kommt es beim Kauf an?

Bei mir dreht sich vieles um die Wertschätzung für das Tier, das vor allem artgerecht gehalten werden muss. Nachhaltigkeit und Herkunft sind mir besonders wichtig. Ich muss mir kein Steak aus Übersee kaufen, um qualitativ hochwertiges Fleisch zu bekommen. Ein Gang zum Bauernhof um die Ecke oder zum örtlichen Metzger reichen aus. In den meisten Fällen beherrschen die Menschen dort ihr Handwerk, vor dem ich großen Respekt habe. Denn auch das Zerlegen will gelernt sein.  

Welches Fleisch empfehlen Sie?

Generell kann man alles grillen, wenn die Qualität stimmt. Wenn es etwas Besonderes sein soll, würde ich an Bison oder Wagyu-Beef denken, aber auch Duroc-Schwein und Angler Sattelschwein sind sehr köstlich. Es sind eher außergewöhnliche Rassen, die auch in Deutschland gehalten werden, aber eben nicht in Massen. Im Trend sind derzeit die sogenannten amerikanischen Cuts wie Nierenzapfen, auch Onglet oder Hanging Tender genannt, oder Flank, Skirt oder Flap. Besondere aromatische Fleischstücke vom Rind, die von der Grillszene gerade wiederentdeckt werden.

Fleisch ist nach wie vor die Hauptzutat beim Grillen. Aber wie viel ist gesund?

Fleisch ist prinzipiell nicht ungesund, die Dosis macht das Gift. Nutztiere, die Auslauf haben, entwickeln eine ganz andere Fettstruktur. Meist wird das Fleisch durch die Zubereitung ungesund, beispielsweise beim Grillen durch den Fettflammenbrand, bei dem gesundheitsgefährdende Stoffe freigesetzt werden. Dabei tropft beim direkten Grillen über der Glut das Fett auf die Kohlen, und es entsteht eine Art Stichflamme, die dann das Fleisch rasch verbrennen kann. Ein Fehler, den viele machen. Wichtig sind daher vor allem die Techniken. Es gilt die Grundregel: Mageres und dünn geschnittenes Fleisch lässt sich gut direkt, marmoriertes und eher großzügig geschnittenes Fleisch besser indirekt grillen.

Was genau bedeutet direktes und indirektes Grillen?

Eigentlich ganz einfach: Beim direkten Grillen liegt das Fleisch über der Glut. Oder – beim Gasgrill – über der Flamme. Bei der indirekten Variante schiebt man die Kohlen links und rechts an die Seiten, sodass in der Mitte ein freier Streifen ohne Glut entsteht. Beim Gasgrill wiederum sind dann nur die äußeren Brenner an. In dieser Zone wird das Fleisch bei geschlossenem Deckel dann vor allem durch die Hitzeentwicklung gegrillt. Das Gerät arbeitet dann im Grunde wie ein Backofen.  

Rare, medium, well done – woher weiß man, wann das Steak den richtigen Garzustand erreicht hat?

Das beste Mittel ist ein Kernthermometer – für mich unverzichtbar. Man steckt es in das Fleisch, und es zeigt die Innentemperatur an. So weiß man genau, wann welcher Garzustand erreicht ist. Die neueren Geräte lassen sich via Bluetooth oder WLAN mit dem Smartphone verbinden, das dann klingelt, wenn beispielsweise das Steak im gewünschten Zustand ist. So hat man mehr Zeit, mal mit seinen Gästen zu reden, ohne dauernd vor dem Grill stehen zu müssen.

Wie halten Sie es denn selbst mit dem Fleischkonsum?

Ich esse eher selten Fleisch, vielleicht im Schnitt zweimal die Woche. Dann aber hochwertig. Ich genieße es am liebsten ohne Saucen oder Marinaden. Bei einem guten Stück Fleisch reichen Salz, Pfeffer oder auch ein Stück Butter. Für mich steht jedenfalls fest: Kein Fleisch zu essen, ist keine Option.

Oliver Sievers, 49, lebt in Bochum. Mit seiner Grillkunst hat er alle namhaften Preise abgeräumt. Er ist außerdem zertifizierter Fleisch- und angehender Wild-Sommelier und doziert an der Augsburger Fleischerschule. Er wird von Grillschulen und Firmen gebucht. Der BBQ-Experte hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Zuletzt ist in der Reihe der Titel »Einfach genial Grillen: Vegetarisch« erschienen.

Herr Sievers, als Großmeister am Grill haben Sie zahlreiche Preise gewonnen. Sie sind unter anderem amtierender Grillweltmeister und haben 2018 als erster Nicht-US-Amerikaner überhaupt den Titel »World Food Champion« in der Kategorie »Barbecue« errungen. Jetzt haben Sie ein Buch über vegetarisches Grillen geschrieben. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich wollte mich einfach mal komplett vom Fleisch lösen. Das Grillen unterschiedlichster Gemüse gehörte eigentlich schon immer dazu, gerade auch bei den Wettbewerben. Aber ich wollte, dass auch Vegetarier und Veganer beim gemeinsamen Grillen nicht mehr wie früher das Gefühl haben müssen, dass für sie am Ende nur ein paar geröstete Zucchini-Scheiben übrig bleiben oder eine halb verkohlte Kartoffel, die viel zu lange in der Glut gelegen hat. Inzwischen aber hat sich einiges getan. Der Trend zum Gemüsegrillen ist schon länger spürbar und wurde durch die Pandemie noch einmal verstärkt.

Was genau hat die Pandemie bewirkt?

Viele Menschen hatten mehr Zeit und haben sich auch mit gesunder Ernährung bewusster auseinandergesetzt. Auch damit, statt Fleisch eher Gemüse auf den Rost zu legen. Früher war das Gemüse klar in der Rolle der Beilage, heute ist es fast schon umgekehrt. Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass viele in ihrer Fantasie doch recht limitiert sind. Dabei gibt es wahnsinnig viele Möglichkeiten, auch aus Gemüse eine vollwertige Grillmahlzeit zu zaubern.

Wie zum Beispiel?

Besonders schmackhaft und auch für Gäste überraschend ist zum Beispiel ein halbierter Hokkaidokürbis. Der wird etwa eine Stunde bei 180 Grad im geschlossenen Grill gegart. Oder gegrillter Rotkohl mit Apfelsalat. Sehr gut geeignet sind auch Chicorée oder sogar Salatherzen, die man mit italienischem Pecorino-Käse überbacken kann. Aber auch Chinakohl, Spitzpaprika, Pilze, grüner und weißer Spargel können mit dem Grill hervorragend und knackig zubereitet werden. Inspirationen für neue Ideen hole ich mir vor allem auf meinen Reisen in andere Länder. Eigentlich gibt es keine Sorte, die man nicht grillen kann. Zudem hat Gemüse einen wunderbaren Nebeneffekt: Es bringt bunte Farben und damit viel Leben auf den Teller.

Aber einfach Gemüse auf den Rost zu legen, ist ja nicht alles.

Auf die Marinade kommt es an. Grundsätzlich sollte man das geschnittene Gemüse in einer Schüssel vorher anmachen, beispielsweise mit Olivenöl, Salz und Pfeffer, etwas Chili und getrockneten Kräutern. Dann legt man es am besten in einen feuerfesten Gemüsekorb aus Metall, den ich als Zubehör unbedingt empfehle. Viele verwenden inzwischen auch gusseiserne Grillplatten oder auch Pfannen, die sich ebenfalls hervorragend eignen. Eines meiner Lieblingsgerichte ist ein Spargel-Paprika-Salat. Das Dressing aus Olivenöl, einem Spritzer Limettensaft, Salz, Pfeffer, frischer Chilischote, etwas Knoblauch und angeröstetem Sesam kommt hinterher dazu.   

Was sagt Ihre Kundschaft, wenn sie den Grillweltmeister gebucht hat und der plötzlich mit Gemüse hantiert?

Es gibt immer noch die Leute, die Sprüche bringen, wie: Fleisch ist mein Gemüse. Oder die der Meinung sind, Grillen heißt, eine Wurst zu essen und literweise Bier dazu zu trinken. Genau von diesem Klischee will ich weg. Aber natürlich grille ich auch weiterhin Fleisch. Das gehört für mich einfach dazu. Auch wenn ich darauf achte, mindestens dreimal die Woche vegetarisch zu essen. Grillen bietet alles, was es für eine hochwertige Küche braucht. Allerdings musste ich das selbst auch erst lernen.

Sie sind kein Koch, wie genau haben Sie das angestellt? 

Ich habe früher als Tischler im Bochumer Schauspielhaus gearbeitet. Irgendwann bin ich mit meiner Freundin in ein Haus mit Garten gezogen. Da habe ich zehn Jahre lang in einem Steinkamingrill unser Fleisch verbrannt und war damit eigentlich ganz glücklich. Dann habe ich mir meinen ersten Kugelgrill zugelegt. Damit ging es dann los. Kurz darauf habe ich bereits die ersten kleineren Wettbewerbe gewonnen. Anscheinend habe ich ein Händchen dafür.

 

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Bildquellen

Bettina Seitz, Volker Debus, iStock/villagemoon