In Deutschland gibt es aktuell noch keinen breiten Markt für gebrauchte Ersatzteile von jüngeren Fahrzeugen zwischen drei und acht Jahren. Die Allianz hat sich deshalb im April dieses Jahres entschlossen, geeignete Fahrzeugteile dem deutschen Reparaturmarkt zur Verfügung zu stellen. „Wir wollen den Gebrauchtteilemarkt in Deutschland stärken, denn die Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen ist nicht nur aus Kostengesichtspunkten, sondern vor allem auch aus Nachhaltigkeitsgründen sinnvoll“, sagt Frank Sommerfeld, Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungs-AG. Bei der Verwendung einer gebrauchten Fahrertür eines VW ID.3 spart man beispielsweise 78,4 Prozent oder 64,9 kg CO2. Hochgerechnet auf alle Reparaturen könnten bei entsprechender Verfügbarkeit 420.000 Tonnen CO2 im Jahr in Deutschland eingespart werden.
Kfz-Gebrauchtteilemarkt in Deutschland wächst
Mit Start der Initiative der Allianz im April 2024 hat sich der Markt für Gebrauchtteile jüngerer Fahrzeuge in Deutschland positiv verändert. Das Gebrauchtteileangebot bei ClaimParts hat sich insgesamt, auch durch den Anschluss weiterer Lieferanten, um 40 Prozent von 3,2 auf 4,5 Mio. Teile erhöht. Auf der Seite der Gebrauchtteilegewinnung konnte die Restwertbörse green.casion die Anzahl der angeschlossenen zertifizierten Recycler von 8 auf 20 erhöhen. Einige Kfz-Versicherer prüfen die alternative Vermarktung von Totalschäden mit Verwerternachweis. „Die Entwicklung stimmt mich positiv. Wir hoffen, dass noch viele Versicherer unserem Beispiel folgen“, sagt Sommerfeld.
Neben dem energieintensiveren stofflichen Recycling bei der Fahrzeugproduktion gewinnt die Wiederverwendung gebrauchter Ersatzteile im Sinne eines Second Life immer mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz. Wenn ein gebrauchtes Ersatzteil zur Verfügung steht, können die Fahrzeughalter und -halterinnen frei entscheiden, ob sie mit dem Einbau eines gebrauchten Teils einverstanden sind oder nicht. 89 Prozent der Verbraucher und Verbraucherinnen würden laut einer Allianz Umfrage eine Reparatur ihres Fahrzeugs mit gebrauchten, aber vollständig intakten und zertifizierten Ersatz- anstelle von Neuteilen akzeptieren. Diese hohe Zustimmung in der Umfrage hat sich in der Praxis bestätigt. „Jeder zweite von uns angesprochene Kunde, bei dem eine Reparatur des Fahrzeugs mit gebrauchten Ersatzteilen möglich war, hat sich für eine nachhaltige Reparatur entschieden“, sagt Sommerfeld.
In vielen Ländern funktioniert der Gebrauchtteilemarkt
Einige Länder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um den Markt für gebrauchte Ersatzteile zu fördern. Die USA und Schweden verwenden schon seit über 25 Jahren Gebrauchtteile für die Unfallreparatur. England, die Niederlande und Frankreich sind diesem Beispiel in den letzten Jahren gefolgt und haben den Handel und die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen, auch mittels Einführung gesetzlicher Vorgaben, gefördert. Dort gibt es schon Werkstatterfahrungen bei der Reparatur, Gebrauchtteileportale und Logistiklösungen, die sich in der Praxis bewährt haben. „Auch in Deutschland brauchen wir gesetzliche Rahmenbedingungen, um diese Entwicklung schneller voranzutreiben. Nur gemeinsam können wir es schaffen, unbeschädigte Teile einem sinnvollen neuen Verwendungszweck zuzuführen“, sagt Sommerfeld. Wenn es in Deutschland eine ausreichende Verfügbarkeit von gebrauchten Ersatzteilen auch für jüngere Modellreihen gibt, plant die Allianz einen Kfz-Tarif, der die Verwendung von verfügbaren gebrauchten Teilen beinhaltet.
Zehn Prozent der Totalschäden für den Gebrauchtteilemarkt geeignet
Die Allianz bietet aktuell mit über 1400 Partnerwerkstätten eine Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen an. Verwendung finden rund 25 Außenteile wie Türen sowie Front- und Heckklappen, aber auch Spiegel, Scheinwerfer oder Rückleuchten. Sicherheitsrelevante Teile wie Lenkungen, Achsteile oder Räder werden nicht verwendet. Für den GreenPart-Prozess eignen sich derzeit rund zehn Prozent der echten Totalschäden besonders gut. Da die Fahrzeuge unbeschädigte Ersatzteile liefern müssen, fallen die meisten rundum beschädigten Fahrzeuge als Spender weg. Durch das Unwetter „Radha“ Anfang Juni 2024 wurden viele Fahrzeuge durch Hochwasser zum Totalschaden, ohne dabei äußerlich beschädigt zu sein. Insgesamt konnte die Allianz dadurch 62 Kundenfahrzeuge mit rund 1200 Teilen als Ersatzteilspender einsteuern und eine CO2-Einsparung von mehr als 35 Tonnen erzielen.
Gleiche Garantie wie beim Neuteil
Der Recycler als Lieferant prüft die Funktion des Gebrauchtteils und nimmt es, wie beim Neuteil, im Falle einer berechtigten Reklamation zurück. Die Reparaturen erfolgen fachgerecht in den Allianz Partnerwerkstätten. „Unsere Kundinnen und Kunden erhalten ein Jahr Garantie auf das gebrauchte Ersatzteil – die gleiche Garantie wie bei einer Reparatur mit Neuteilen“, sagt Sommerfeld.
Ein starker Markt für gebrauchte Ersatzteile kann Kostenentwicklung dämpfen
Die Ersatzteilpreise der Fahrzeughersteller für Neuteile haben sich in den letzten Jahren sehr stark erhöht, deutlich über der Erhöhung des Verbraucherpreisindexes durch die Inflation. Ein starker Markt für gebrauchte Ersatzteile in Deutschland würde diesem Trend entgegenwirken. Teilweise sind die Erhöhungen auch dadurch bedingt, dass es sich um Technologieweiterentwicklungen handelt, die eine Preiserhöhung durchaus rechtfertigen können. Beispielsweise ist ein Scheinwerfer heute nicht vergleichbar mit einem Modell von 2014, sondern erheblich leistungsfähiger. „Wenn es sich um technische Weiterentwicklungen handelt, sind Preisanstiege bei den Ersatzteilen durchaus gerechtfertigt. Das ist aber nicht bei jedem Ersatzteil der Fall. So sehen wir bei reinen Blechteilen, z. B. bei einer Tür oder einem Kotflügel, ebenfalls Preiserhöhungen, die in der Größenordnung nicht begründbar sind und die wir im Sinne des Verbrauchers und als Kfz-Versicherer kritisch sehen“, sagt Sommerfeld.
München, 16. Oktober 2024
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