»London bekommt seinen Fluss zurück«
Andrew Cox, Managing Director bei Allianz Capital Partners
Was für ein Projekt! Der Thames Tideway Tunnel, Spitzname: »Super Sewer« (Superkanal), gilt als Jahrhundertprojekt in Sachen städtischer Infrastruktur. 4,9 Milliarden Euro kostet das neue Abwassersystem der Weltmetropole. Da sind große Worte angebracht: »London bekommt seinen Fluss zurück«, verspricht Andrew Cox, der bei Allianz Capital Partners als Managing Director für das Projekt verantwortlich ist. Denn die Bürger und Besucher der Stadt hatten »ihren« Fluss in den vergangenen Jahrzehnten ans Abwasser verloren. Die braune Brühe, die da an Big Ben, am London Eye und am Tower vorbeiwabert, die stinkt im wahrsten Wortsinne zum Himmel. Was vor allem daran liegt, dass die Kanalisation hoffnungslos veraltet ist, obgleich auch sie absoluter Top-Standard war, als sie gebaut wurde. Nur ist das leider schon 150 Jahre her. Allerhöchste Zeit für ein neues System, und daran ist die Allianz Capital Partners zu großen Teilen beteiligt. Die hält im Auftrag der Allianz Gesellschaften 34,3 Prozent an der Bazalgette Tunnel Limited (BTL), die den Tunnel geplant hat, derzeit baut und künftig auch unterhält und wartet. Es ist eines der größten privat finanzierten Infrastrukturprojekte aller Zeiten. Und es ist ein Langzeitprojekt, denn der Super Sewer soll auch im Jahr 2160 noch funktionieren, wenn die Londoner Bevölkerung laut Prognose auf 16 Millionen Menschen angewachsen sein soll. Zunächst aber ist der Zeithorizont minimal kürzer: Die Lebensdauer ist mit 120 Jahren angesetzt.
Chronisten nannten es seinerzeit »das wunderbarste Bauwerk der Neuzeit«. Schließlich bedrohten die Bürger damals nicht nur Fettberge, sondern tödliche Krankheiten. Mehrere Choleraepidemien rafften Tausende dahin, zuletzt 1854. Dass der Prinzgemahl Albert 1861 an Typhus starb, wurde letztlich auch der miserablen Trinkwasserqualität angelastet. Ihre Themse verglichen die Londoner mit dem Höllenfluss Styx. Eine Zeitung formulierte es 1858 blumig: »Wer einmal den Gestank eingeatmet hat, wird ihn nie vergessen und kann sich glücklich schätzen, dass er überhaupt überlebt hat und sich daran erinnert.« In jenem Juli 1858 war es zudem auch noch durchschnittlich 35 Grad heiß, was alles noch schlimmer machte. Der Sommer ging als »The Great Stink« in die Geschichte ein. Der Gestank trieb auch ins Parlament nach Westminster, wo sogar Debatten unterbrochen werden mussten. Immerhin handelten die Politiker außergewöhnlich zügig – und schon am 2. August 1858 wurde ein Gesetz beschlossen, das den Weg für die Kanalisation freimachte.
Nun bekommen die Londoner also wieder einmal ihren Fluss zurück. Was das bedeutet, lässt sich auf Grafiken und Fotomontagen bereits betrachten. Da starten Umweltorganisationen Projekte, um Fische und auch Säugetiere wieder anzusiedeln. An der Oberfläche der großen Sammelstationen, wie der an der Blackfriars Bridge, werden Parks und Anlagen entstehen. Und auch ein Freibad im Fluss ist angedacht. Ebenso wie eine Ausstellung mit all den Gegenständen, die in den vergangenen Jahren in 20, 40 oder 60 Meter Tiefe entdeckt wurden. Darunter auch ein Wikingerschiff. Und dort finden dann sicher auch die Touristen wieder genügend Fotomotive.
So funktioniert der Tideway Tunnel
Das Problem: Regnet es in London, läuft derzeit das Kanalsystem über, und Abwasser und Fäkalien gelangen ungeklärt in die Themse. Der Grund: Die Kanalisation Londons ist mehr als 150 Jahre alt und wurde ursprünglich für 4 Millionen Bewohner konzipiert. Heute leben aber bereits 9 Millionen Menschen in der Metropole. 2160 könnten es 16 Millionen sein.
Fotos: Tideway
Illustration: Ayse Dincer Aktas
Video: Ed Wright, Philip Dethlefs, Max-Martin Bayer