Stress auf dem Bürgersteig

28. März 2022 – Pressemitteilung – Allianz Deutschland AG
Die Zahl der Unfälle zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern stieg in den vergangenen 10 Jahren um 25 Prozent / Zwei von drei Radfahrern verbotswidrig auf dem Bürgersteig
Es wird vielerorts eng für den Fahrradverkehr. Alles eine Frage fehlender Radwege und eines Mobilitätswandels, oder doch nur das vertraute Phänomen voranschreitender Urbanisierung? In ihrer neuen Verkehrssicherheitsstudie widmete sich die Allianz den neuralgischen Konfliktfeldern des Zweiradverkehrs.
Es wird eng auf dem Gehweg

Die Trennung von Auto- und Radverkehr gilt heute als wichtige Unterstützung zur Gewährleistung der Sicherheit. Nach internationaler Forschung fühlen sich Fahrrad- und Scooternutzer umso sicherer, je getrennter sie vom Autoverkehr unterwegs sind, und nehmen auch regelwidrige Bürgersteignutzung in Kauf. Eine Repräsentativerhebung des Allianz Zentrums für Technik (AZT) unter 1205 Fahrradfahrern im Rahmen der Zweirad-Sicherheitsstudie bestätigt: Zwei Drittel 

(65 Prozent) schließen das nicht aus, jeder Zehnte (11 Prozent) fährt dort sehr häufig oder häufig unerlaubt. Auch die erlaubte Mitbenutzung des Gehwegs ist häufig: Als hoch oder sehr hoch bemisst jeder Vierte den Anteil seiner Fahrten auf freigegebenen Bürgersteigen. „Es darf keinen Kampf um den Bürgersteig geben, um sicher unterwegs zu sein“, sagt Jochen Haug, Schadenvorstand der Allianz Versicherungs-AG. „Das ist weder im Sinne des Rad- noch des Fußverkehrs." 

Deutlich mehr Unfälle zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern
Unfälle zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern nahmen nach AZT-Berechnung in den vergangenen zehn Jahren um 25 Prozent zu. „Die Unfälle passieren nicht alle auf dem Gehweg“, erklärt Christoph Lauterwasser, Leiter des AZT, „dennoch mangelt es in Deutschland an einer Philosophie der Trennung von Rad- und Fußverkehr." Zwar treibt die Politik den Radwegebau voran, doch noch ist Radfahren im Autoverkehr die Normalität. Für 28 Prozent der Befragten ist der Anteil an Fahrten, die mangels Radweg im Autoverkehr stattfinden, sehr hoch oder hoch, für 64 Prozent mindestens mittelhoch. Pop-up-Radstreifen nutzen oder kennen 51 Prozent der Befragten nicht.
Auch der Radweg garantiert keine Sicherheit 

Die Allianz Studie zeigt: In den vergangenen zehn Jahren erhöhte sich auch die Anzahl der Fahrrad-Fahrrad-Unfälle erheblich (+63 Prozent). „Ob das primär fehlender oder mangelhafter Infrastruktur geschuldet ist, muss aus Sicht der Unfallforschung noch genauer untersucht werden“, sagt Lauterwasser. 

Das Gros der Pkw-Fahrrad-Kollisionen ereignet sich nicht im Längsverkehr, sondern beim Abbiegen, Einbiegen und Kreuzen. Die Auswertung 500 zufällig ausgewählter Kfz-Fahrradunfall-Schadenakten der Allianz zeigte auch, dass 45 Prozent aller Radopfer an Orten mit Radweg verunglückten. Bei 39 Prozent ereignete sich die Kollision beim Einfahren des Rads in die Kreuzung, von einem Rad- oder Fußweg kommend.

Unfälle mit sich öffnenden Autotüren (Dooring) waren weniger auffällig (7 Prozent), Unfälle wegen geringen Pkw-Seitenabstands selten (unter 2 Prozent). In den für das Sicherheitsempfinden der Radfahrer so wichtigen Konfliktfeldern war zudem mitunter die Schuldfrage unklar. Auch die Allianz Befragung zeigte: 53 Prozent der Radfahrer schließen Abstands- und Geschwindigkeitsverstöße nicht gänzlich aus.

Foto: Allianz Zentrum für Technik
Falsches subjektives Sicherheitsempfinden
In Kreuzungskonflikten offenbart sich die trügerische Sicherheit auf Radwegen. „Die Fahrerinnen und Fahrer tragen ihr Sicherheitsgefühl, das ihnen die Radweg- oder Bürgersteigfahrt in der Strecke vermittelt, mit in den Knotenpunkt – psychologisch ein fataler Fehler“, so Jörg Kubitzki, Studienleiter und Sicherheitsforscher im AZT. „Die Beeinflussung der Annäherungsgeschwindigkeiten der Parteien, die Förderung des frühzeitigen gegenseitigen Erkennens, auch durch spezifische Ankündigung oder bauliche Anpassung, müssen deutlich mehr Priorität haben.“
Radverkehr besser als sein Ruf

Die gute Nachricht ist: Allen Verkehrsproblemen zum Trotz sehen Fahrradfahrer ihren Verkehrsalltag aus der Radlerperspektive überwiegend positiv. In der Allianz Umfrage bewertet mehr als jeder Dritte (36 Prozent) das als Radfahrer empfundene Verkehrsklima als sehr gut oder gut, 33 Prozent als befriedigend, 18 Prozent als ausreichend. Die benutzten Radwege erhielten von 39 Prozent die Noten sehr gut oder gut, von 29 Prozent die Note befriedigend und von 18 Prozent die Note ausreichend. „Zweiradunfälle sind vielfältig begründet und können daher durch scheinbar einfache Patentrezepte nicht gelöst werden. Viele der aktuell im Raum stehenden Maßnahmen müssen sich daran messen lassen, wie sorgfältig sie auf ihren Nutzen für die Senkung des Schadengeschehens bei allen Verkehrsteilnehmern evaluiert sind, und ob sie vermeiden, Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen“, sagt Kubitzki.

München, 28. März 2022

Die vollständige Studie „Zweiradsicherheit im Überblick“ von Dr. Jörg Kubitzki senden wir Ihnen gern elektronisch zu. Für die Studie führte das Allianz Zentrum für Technik mit dem Institut Ipsos eine repräsentative Telefonerhebung unter 1205 deutschen und 500 deutsch- und französischsprachigen schweizerischen Fahrradfahrenden durch und analysierte mit Frau Pia Hartmann und Herrn Oliver Braxmeier von der Hochschule Coburg 1000 Allianz Schadenakten zufällig ausgewählter Fahrrad- und Motorradunfälle.

Das Allianz Zentrum für Technik,  https://www.azt-automotive.com  , ist Unterzeichner der European Road Safety Charter.

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Christian Weishuber