»Erfolg ist, glücklich zu sein!«

15. Januar 2020 – Interview: Ina Henrichs
Felix Neureuther ist der erfolgreichste deutsche Skirennläufer überhaupt. Auch nach dem Ende seiner aktiven Zeit bleibt er präsent. Ein Gespräch über die Wahrnehmung von Risiken, die lästige Ungeduld des Spitzensportlers – und den Moment, als sein Knie explodierte.
Neues Leben: Die Bretter hat Felix Neureuther hinter sich gelassen und arbeitet jetzt unter anderem als TV-Experte. Foto: Simon Koy

Herr Neureuther, Skifahren gehört zu den risikoreichsten Sportarten überhaupt. Wann wurde Ihnen das bewusst?

Schon als ich noch sehr klein war, habe ich es geliebt, in den Bergen zu sein und beim Skifahren das Adrenalin zu spüren. Ich wollte immer fahren können wie Alberto Tomba, mein Vorbild. Da bist du dir des Risikos nicht bewusst, das zählt in dem Moment nicht. Was du erlebst, ist so einzigartig, dass du dir über Verletzungen keine Gedanken machst. Sonst würde ja auch niemand die Streif in Kitzbühel runterfahren. 

Wann hat sich das verändert?

Ich habe mir vor zwei Jahren das Kreuzband gerissen. Und dieses Gefühl, wie das Knie explodiert, das werde ich nie vergessen. Danach war ich nicht mehr in der Lage, ans Limit zu gehen. Aber das muss man, um in diesem Sport eine Chance zu haben.

Wie kann man sich als Skirennfahrer überhaupt absichern?

Als Spitzensportler setzt du immer alles auf eine Karte. Darum ist es nicht leicht, eine Versicherung zu finden. Ich war allerdings durch die Allianz sehr gut abgesichert. Ein großes Glück war, dass es Institutionen wie die Bundeswehr, die Bundespolizei oder den Zoll gibt, die alle auch Sportförderung betreiben. Ich war damals beim Zoll angestellt und da­rüber beihilfeberechtigt. Als Aktiver war ich auch über den Deutschen Skiverband versichert, aber leider nicht im ausreichenden Maße.

Hat es angesichts des Risikos jemals einen Plan B gegeben?

Mit Anfang 20 habe ich mir Gedanken gemacht, was ich im Falle einer Verletzung tun könnte. Ich habe damals schon angefangen, Trainingsprogramme für Kinder zu entwickeln. Daraus entstand die »Beweg dich schlau!«-Stiftung. Das macht mir viel Spaß, und ich hätte das wohl beruflich ­gemacht, wenn ich kein professioneller Skifahrer geworden wäre. Fußballprofi wäre ich natürlich auch gern geworden.

Wie wichtig war die Sicherheit, die Ihnen Ihre Familie gegeben hat?

Sie hat mir alles bedeutet und alles erst möglich gemacht. Dabei haben mich meine Eltern gar nicht gebremst und mich immer machen lassen, obwohl ich ein sehr wildes Kind war – immer höher, schneller, weiter. Mein zweites Zuhause war das Krankenhaus. Für Versicherungen war ich in dieser Zeit ein Albtraum.

Wie leben Sie diesen Drang heute aus?

Ich habe inzwischen so viel gemacht, dass ich diesen Kick nicht mehr brauche. Als Familienvater habe ich jetzt Verantwortung – und kriege den Kick, wenn meine Tochter vom Sofa springen will. Die Sorgen, die ich mir nun um die Familie mache, sind viel größer als alles andere.

Sie haben im vergangenen Jahr Ihre aktive Karriere beendet. Wie haben Sie herausgefunden, dass es der richtige Zeitpunkt war?

Die Entscheidung hat sich über eine lange Zeit gezogen. Nach dem Kreuzbandriss im November 2017 wollte ich nicht einfach so aufhören und habe es noch mal angepackt. Selbst nachdem ich mir den Daumen gebrochen und ein Schleudertrauma mit schwerer Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Aber irgendwann nach den Verletzungen war die Motivation einfach weg. Ich wollte lieber bei meiner Familie sein, als im Kraftraum zu buckeln. Aber ich bin extrem dankbar für alles und auch dafür, wie es gelaufen ist.

Welche Eigenschaft des Spitzensportlers kommt Ihnen heute noch zugute? 

Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann ziehe ich es durch und lasse nicht locker. Nicht zugute kommt mir meine Ungeduld. Alles braucht so viel Zeit. Ob das beim Fernsehen ist, wo ich als Experte arbeite, oder bei der Stiftung. Ich war mit meinen Ideen für neue Unterrichtsformen in der Schule schon mehrmals beim Kultusministerium. Ich merke immer wieder, wie schwierig es ist, Dinge voranzutreiben. Das bist du als Sportler nicht gewohnt. Da wird gemacht – spontan, kurzfristig und mit vollem Einsatz.

Wie wichtig sind Ihre Eltern als Vorbild für das Leben nach dem Spitzensport?

Wir sind ein Familienunternehmen, da hält man zusammen und hilft sich. Wir haben immer alles größtenteils alleine gemeistert, weil wir keine Agentur einschalten wollten. Ich profitiere natürlich von den Erfahrungen, die mein Vater als Geschäftsmann gemacht hat, und lerne momentan viel. So bin ich zum Beispiel an der Rucksackfirma ABS beteiligt und kann ins Geschäftsleben hineinschnuppern, ohne finanzielles Risiko einzugehen.

Was wäre der größte Fehler, den Sie jetzt machen könnten?

In etwas hineinzuschlittern, unter dem meine Familie zu leiden hätte. Ich bin aber optimistisch, denn wir brauchen nicht viel, um glücklich zu sein. Wir haben ein Dach über dem Kopf und genug zu essen. Was will man mehr? Ich bin nicht leicht durch Luxus zu verführen. Und meine Frau auch nicht. 

Sie hatten auch Pech, waren häufig verletzt. Helfen Ihnen diese Erfahrungen jetzt? 

Ich habe dadurch auf ­jeden Fall gelernt zu kämpfen. Wenn du es schaffst, nach so einer Verletzung wiederzukommen, dann ist das sehr emotional. Deswegen haben mich die negativen Erlebnisse mehr geformt als die guten. Und egal, was jetzt noch kommt: Wenn es mal schlecht wird, was ich nicht hoffe, dann fahre ich die Ellbogen aus! 

Wie definieren Sie Erfolg?

Medaillen und Pokale waren mir nie besonders wichtig. Erfolg bedeutet für mich, glücklich zu sein.

 
Zur Person: Felix Neureuther
Fünf Medaillen bei Weltmeisterschaften und 13 Weltcupsiege im Slalom und Riesenslalom machen Felix Neureuther zum erfolgreichsten alpinen Skifahrer Deutschlands. Der Sohn der Skilegenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther beendete im Frühjahr 2019 seine aktive Karriere, nachdem er im November 2017 einen Kreuzbandriss erlitten und so 2018 seine dritte Teilnahme bei Olympischen Spielen verpasst hatte. Der 35-Jährige lebt mit seiner Familie in Garmisch-Partenkirchen. Mit dem Risiko am Hang kennt sich Felix Neureuther aus. Kein Wunder, dass der Skiprofi auch nach Karriere­ende etwas von Absicherung versteht. Hier sind seine sechs Tipps für die richtige Vorsorge
  

Bildquellen

felix-neureuther-allianz-1: Simon Koy