Vernetztes Fahren

Eine Reise in die Zukunft der Auto­versicherung

    22. Oktober 2019 – Text: Dr. Jörg Hipp

Die Automatisierung des Fahrens und die Vernetzung der Fahrzeuge werden weitreichende Auswirkungen auf die Autoversicherung haben. Dabei ist die Automatisierung ein gradueller Prozess, der schon seit Jahren läuft und irgendwann im vollautonomen Robotertaxi enden wird. Bis dorthin ist es noch ein langer Weg und so lohnt es, sich mit den einzelnen Schritten der Reise zu beschäftigen. Ein Beitrag von Dr. Jörg Hipp, der von 2016 bis April 2021 das Automotive Geschäft im Vorstand der Allianz Versicherungs-AG verantwortete.         
Aktuell versichern wir Fahrzeuge der Automatisierungsstufen SAE Level 0 (ESP) bis 2, d.h. der Fahrer wird – sofern sein Fahrzeug mit entsprechenden Level 2 Assistenzsystemen ausgestattet ist – vom Fahrzeug beim Fahren in der Längs- und Querführung unterstützt. Der Fahrer bleibt aber stets in der Verantwortung. Insbesondere bei autonomen Notbremsassistenten oder Park- und Rangierassistenten wissen wir aus unseren umfangreichen Analysen der Unfallforschung, dass diese den Schadenaufwand deutlich reduzieren.
Dr. Jörg Hipp leitete als Vorstand das Automotive Ressort der Allianz Versicherungs-AG und ist seit April 2021 Head of Commercial Business Transformation in der Allianz Gruppe 
Versicherer tun sich aktuell schwer, die Wirkung moderner Fahrerassistenzsysteme in der Preisfindung zu berücksichtigen. Neben dem praktischen Problem effizient an die Daten zu den verbauten Systemen zu kommen, gibt es ein fundamentales Problem in der Methodik mit der Versicherer traditionell Risiken bewerten. Nämlich basierend auf einer großen Zahl vergleichbarer Risiken und möglichst langer Historie zur Schadenerfahrung. Der technische Fortschritt bei der Automatisierung des Fahrens ist so schnell, dass eine Generation eines Systems nur wenige Jahre verbaut wird und sich zunehmend über Softwarestände die Fahrzeugeigenschaften ändern können. Sobald genug Daten für eine statistisch empirische Analyse zur Wirksamkeit von Assistenzsystemen vorliegen, sind die Erkenntnisse daraus bereits veraltet.

Statt also zuerst die Schadenerfahrung zu analysieren und aus den so gewonnenen Erkenntnissen Versicherungsprodukte zu entwickeln ist es notwendig, die technischen Leistungsfähigkeit der Systeme ex ante abzuschätzen und daraus Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, die dann laufend mit empirischen Erkenntnissen zum Schadengeschehen weiterentwickelt werden. Das Allianz Zentrum für Technik hat für die heute verfügbaren Systeme Testprozeduren entwickelt und eine Abschätzung der potenziellen Wirkung auf den Schadenaufwand durchgeführt. Allianz Automotive hat ein Scoring-Modell entwickelt, mit dem sich ein „Fahrerassistenznachlass“ aus den verbauten Systemen einfach und nachvollziehbar berechnen lässt. Dieses Modell lässt sich weiter verbessern, wenn die Aktivierung der Systeme bei der individuelle Fahrzeugnutzung der Kunden berücksichtigt wird. Schließlich hilft auch das beste System nichts, wenn es deaktiviert ist oder nicht zum Einsatz kommt.

Ein solches Versicherungsprodukt kann nur funktionieren, wenn es in das digitale Ökosystem des Fahrzeugs eingebunden ist. Neben der Gewinnung der notwendigen Daten bietet eine Integration in die Connected-App die Möglichkeit, Kunden direkt und zielgerichtet anzusprechen. Damit kann Versicherung ein relevanter Use-Case im Ökosystem des vernetzten Fahrzeugs werden und helfen, die Total Cost of Ownership zu reduzieren.

Die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts ist atemberaubend. Einige Fahrzeuge könnten aus „technischer“ Sicht bereits heute auf der Autobahn im Level 3 Modus fahren. Allerdings sind diese Systeme noch nicht für die Nutzung im Straßenverkehr freigegeben. Wenn das Fahrzeug autonom fährt haben sich traditionelle Methoden der Risikobewertung überlebt. Bei Fahrzeugen mit Level 3 Funktionen fährt manchmal das Auto und manchmal der Mensch. Ohne Daten aus dem Auto haben Versicherer keine Möglichkeit zu erfahren, wie das Verhältnis der Fahrmodi ist, und können deswegen die Risikoreduktion aus dem automatisierten Fahren nicht angemessen berücksichtigen.

Die Lösung ist ein Versicherungsprodukt, das wiederum auf Telematikdaten aus dem Fahrzeug aufbaut und einen unterschiedlichen Preis pro Kilometer berechnet, je nachdem, ob der Mensch oder die Maschine gefahren ist. Ein weiterer Vorteil für den Kunden ist der Verzicht auf eine Rückstufung des Schadenfreiheitsnachlasses, wenn es im autonomen Modus zu einem Unfall gekommen ist.

Für mich entscheidend ist die Integration von Versicherungslösungen in das Ökosystem „Connected Car“. Neben den beschriebenen passgenauen Versicherungsprodukten liegt ein weiterer Use-Case im Schadenmanagement. Digitalisierung erlaubt uns Prozesse extrem zu verschlanken und in Richtung eines begeisternden Kundenerlebnisses umzugestalten. Über die Fahrzeugsensorik lässt sich ein Unfall identifizieren und bewerten. In einem digital unterstützen Prozess können Kunde und ggf. Unfallgegner durch den gesamten Prozess geführt werden: Von der Sicherung der Unfallstelle über die Dokumentation und Meldung des Schadens bis hin zur Buchung der Reparatur und der Organisation von Ersatzmobilität. Die Allianz hat für ihre volldigitale Autoversicherung „Smart Pocket“ bereits einen Unfallassistenten im Einsatz. Dieser kann durch Einbindung in das Ökosystem des Fahrzeugs bzw. des Herstellers mit tiefergehender Funktionalität und zusätzlichem Kundennutzen weiterentwickelt werden.

Mit Allianz Automotive verfügt die Allianz über eine dezidierte und schlagkräftige Einheit, die sich als Zulieferer bzw. Systemanbieter für die Automobilindustrie versteht.

Bildquellen

Eine Reise in die Zukunft der Autoversicherung: iStock/metamorworks

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