Frau Sabli, wie würden Sie Ihre Großmutter Rike vor ihrer Erkrankung beschreiben?
Sie hat jahrelang als Leiterin eines Horts für körperbehinderte Kinder gearbeitet. Oma war extrem ordentlich, sie hatte einen regelrechten Putzfimmel. Auch an ihre Strenge erinnere ich mich, und dass sie fremde Personen oder neue Aktivitäten eher gemieden hat. Aber vor allen Dingen war sie sehr hilfsbereit. Wann immer mir etwas fehlte, hat sie mich unterstützt.
Wann haben Sie gemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmt?
Das war vor etwa sechs Jahren. Ich habe damals als Verkäuferin in einem Skateshop gearbeitet. Oma kam fast jeden Tag vorbei. Manchmal, um mir Essen zu bringen oder einfach nur ein wenig zu plaudern. Als sie an jenem Tag nicht kam, hatte ich gleich ein komisches Bauchgefühl, habe immer wieder versucht sie anzurufen. Aber erst nach acht oder neun Versuchen konnte ich sie erreichen. In diesem Gespräch war sie plötzlich ein ganz anderer Mensch. Offensichtlich verwirrt und orientierungslos. Wir hatten Sorge, es könnte ein Schlaganfall sein und haben den Notruf gewählt. Im Krankenhaus bestätigte sich dann leider unser Verdacht. Nach der Reha war den Ärzten klar, dass sie nicht mehr alleine wohnen kann. Für mich stand aber fest, dass meine Oma auf keinen Fall in ein Heim kommen soll.
Wie haben Sie Ihr Leben danach organisiert?
Von heute auf morgen war ich für meine Oma verantwortlich. Also bin ich bei ihr eingezogen, habe erst mal geschaut, was kann sie noch und was nicht. Ich habe ihr Essen zubereitet, sie gepflegt und sie ins Bett gebracht. Unterstützt wurden wir bei der Medikation vom Pflegeteam der Johanniter-Hilfe, das aber leider immer unregelmäßiger kam. Irgendwann fiel mir auf, dass sie immer mehr vergisst. Ich hatte gleich den Verdacht, dass sie dement sein könnte, und bin mit ihr zu einem Neurologen gegangen, der dies leider bestätigte. Das Ganze ging dann noch zwei oder drei Jahre ganz gut, bis ich an meine Grenzen stieß.
Wie ging es danach weiter?
Über einen privaten Kontakt habe ich einen Platz in einer Einrichtung im Betreuten Wohnen für sie gefunden. Dort lebt Oma in ihrer eigenen Wohnung, nur knapp 250 Meter von meiner entfernt. Werktags, während ich arbeite, ist sie von 9 bis 17 Uhr in einer Tagespflege. Nach meinem Feierabend fahre ich zu ihr, sie bekommt ihr Abendessen und ich mache sie fertig für die Nacht, da Oma das sehr ungern von den Pfleger:innen machen lässt. Meine Mutter hilft, so gut sie kann. Sie ist aber selbst gesundheitlich schwer beeinträchtigt und hat nicht immer die Kraft dafür. Da die Tagespflege am Wochenende nicht angeboten wird, bin ich samstags und sonntags in der Regel rund um die Uhr bei meiner Oma, oder hole sie zu mir. Meine Mutter und ich versuchen uns dabei so oft es geht abzuwechseln. Leider stößt auch dieses Modell inzwischen an seine Grenzen.