Krisenmanagement

Licht­blick in dunklen Stunden

4. Juni 2019 – Text: Michael Cornelius
Ein Unfall kann sich schnell zur Katastrophe aus­wachsen. Nicht nur für Opfer und Hinter­bliebene, sondern auch für involvierte Unter­nehmen. Das SOS Krisen­management der Allianz hilft Firmen­kunden welt­weit, schwierige Situationen zu meistern. Die Anatomie eines fiktiven Falles
Im Katastrophenfall sind die Mitarbeiter des SOS Krisenmanagements der Allianz 24 Stunden für ihre Kunden da. Und lösen Probleme Illustrationen: Jan Steins

Busunternehmen oder Firmen mit Lkw-Fuhrpark sind einem latenten Risiko ausgesetzt: Von einer Sekunde auf die andere kann eine Krise mit großem öffentlichem Interesse entstehen. Denn ein Unglück ist schnell passiert: Der Lkw-Fahrer döst am Steuer ein und fährt in das Gebäude einer Grundschule – viele Kinder und eine Lehrerin werden verletzt. Oder ein Fahrer verliert die Kontrolle über seinen Sattelschlepper und rast ungebremst in ein Stauende.

In solchen Situationen ist es wichtig, sofort und professionell zu reagieren. Um den Opfern zu helfen und auch, um schwerwiegenden Finanz- und Imageschäden für das Unternehmen vorzubeugen. Sei es im Umgang mit der Presse, mit der Information von Angehörigen oder in der Betreuung der Verletzten vor Ort.

Für genau solche Fälle hat Allianz Partners ein neues ­Serviceprodukt entwickelt: SOS Krisenmanagement für ­Busunternehmen, Speditionsfirmen und Unternehmen mit Lkw-Bestand. Allianz Partners stützt sich hierbei auf eine jahrzehntelange Erfahrung im Bereich Touristik, wo ein ähnliches Produkt schon vielfach für Reiseveranstalter eingesetzt wurde und sich bewährt hat. Im Unglücksfall reagiert das SOS Krisenmanagement innerhalb kürzester Zeit, installiert eine Telefonhotline, organisiert psychologische Unterstützung für Betroffene und An­gehörige, kümmert sich um die Rückholung, beantwortet Presseanfragen – und vieles mehr.

Christine Kübler ist eine von fünf Einsatzleitern im SOS-Team in Dornach bei München. Sie hat schon Großschäden aller Art erlebt – Terroranschläge, Flugzeugabstürze und auch Tsunamis. Sie weiß, worauf es im Fall der Fälle ankommt: einen kühlen Kopf zu bewahren. Oder wie sie es ausdrückt: »Jede Krise ist Chaos. Die Kunst ist, das Durcheinander zu lieben, um es zu bewältigen« (siehe Interview Seite 17).

Wie das SOS Krisenmanagement funktioniert, zeigt beispielhaft ein fiktiver Fall eines Busunglücks in Italien.
Situation: Ein mit 50 Personen besetzter Omnibus der Firma Sonnenbank-Reisen (Anm.: Name frei erfunden) befindet sich mit einer Seniorengruppe aus Frankfurt/Main auf der Rückreise nach Deutschland. Auf einer kurvenreichen Bergstraße in der Region Piemont kommt der Reisebus nachts von der Fahrbahn ab und stürzt in eine Schlucht. Die örtliche Polizei meldet sich frühmorgens bei Sonnenbank-Reisen und bittet um Informationen zur Reise. Das Unternehmen alarmiert ­sofort die Notrufzentrale des SOS Krisenmanagements. Die Einsatzleitung in Bereitschaft wird kontaktiert.
Erste Phase:
Meldung der Krise. Das SOS-Team stellt sich auf. Innerhalb von drei Stunden wird eine Telefonhotline eingerichtet

–– Christine Kübler erreicht die Nachricht Minuten später zu Hause. Die Einsatzleiterin stellt umgehend ihr Team zusammen. Eine Schicht geht über sieben Tage und beginnt jeweils am Freitag um 12 Uhr – insgesamt 36 Mitarbeiter und fünf Teamleiter wechseln sich ab, sie haben dann rund um die Uhr Bereitschaftsdienst. Christine Kübler ist binnen einer Stunde im Büro. Auf dem Weg hat sie mit dem Geschäftsführer des Busunternehmens telefoniert und vorsorglich eine auf Krisen-PR spezialisierte Agentur informiert, die bei Bedarf mit der Allianz zusammenarbeitet. Nach und nach treffen die Mitglieder des SOS-Teams in der Krisenzentrale in Dornach ein. Die Telefonhotline wird freigeschaltet.

In Italien erscheint eine erste Pressemeldung: »Domodossola. Auf der Verbindungsstraße zwischen Locarno in der Südschweiz und der italienischen Kreisstadt Domodossola ist ein Reisebus eines offenbar deutschen Reiseveranstalters in eine Schlucht gestürzt. Laut erster Meldung der örtlichen Sicherheitsbehörde hat es Tote und Verletzte gegeben. Dass es sich ­dabei überwiegend um deutsche Staatsbürger handeln soll, wurde von den Behörden noch nicht bestätigt.«

An der Unglücksstelle sind italienische und schweizerische Rettungskräfte im Einsatz. Offenbar gestaltet sich die Bergung schwierig, weil die Unglücksstelle in einem steilen Hanggelände liegen soll. An der Unfallstelle ist deshalb auch die Bergrettung im Einsatz, unterstützt von Kräften der lokalen Feuerwehren. Deutsche Medien greifen das Thema auf. Eine Augenzeugin wird zitiert, die berichtet, wie der Bus plötzlich beschleunigte, gegen eine Mauer prallte und dann abstürzte.

Zweite Phase:
Überblick verschaffen. Wer saß im Bus? Sind die Verletzten versorgt? Die Mitarbeiter der Hotline sprechen mit Angehörigen und beant­worten Presseanfragen

–– Das SOS Krisenmanagement arbeitet auf Hochtouren. Es organisiert Hilfe und sammelt Informationen. Jeder Anruf und jedes Detail werden in einer Krisendatenbank erfasst. Wie bei einem Puzzle entsteht daraus allmählich ein vorläufiges Bild der Lage. Nach Angaben der Rettungsdienste sind 30 Insassen schwer und zwölf leicht verletzt. Die Verletzten werden in verschiedenen Krankenhäusern und Spezialkliniken der Region versorgt. Es hat acht Tote gegeben, darunter der Busfahrer und der Reiseleiter. Christine Kübler und ihr Team kontaktieren Angehörige und Behörden. Da es noch Unstimmigkeiten wegen der Teilnehmerliste der Reise gibt, schaltet die Allianz das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft in Rom ein, die vor Ort in den Krankenhäusern nachforschen sollen. Das Team organisiert Dolmetscher für die Verletzten und psychologische Hilfe. Unter den Anrufern der Hotline ist auch die Kassiererin eines Supermarkts. Sie kennt eine der Verletzten: »Die alte Dame hat eine Katze. Wer versorgt die jetzt?« Auch wenn es nebensächlich klingt, kümmert sich das SOS Krisenmanagement auch um solche Belange, kontaktiert etwa den Hausmeister, der das Tier versorgt.

In Deutschland wird über das Unglück in den Hauptnachrichten berichtet. Es gibt Spekulationen über die Unfallursache. War das Bremspedal eingeklemmt? Der Bus in schlechtem Zustand? Dabei fällt auch der Name Sonnenbank-Reisen. In Absprache wird die Agentur für Krisen-PR eingeschaltet, um einen Imageschaden abzuwenden. Sie übernimmt die Öffentlichkeitsarbeit und gibt eine erste Presseerklärung heraus. Sonnenbank-Reisen drückt darin sein Bedauern aus, verspricht Aufklärung und Hilfe für die Betroffenen. Der beim Unfall getötete Fahrer habe zu den erfahrensten Mitarbeitern gezählt. Der Bus sei fast neu und erst vor Kurzem beim TÜV gewesen.

Dritte Phase:
Bewältigung der Krise. Beistand und Hilfe für die Angehörigen und Verletzten. Das SOS-Team organisiert die Rückreise der Transportfähigen

–– Mithilfe der örtlichen Polizei und der Deutschen Botschaft stehen jetzt alle Namen der Teilnehmer der Reisegruppe fest. Endlich können Christine Kübler und ihr Team den Angehörigen Genaueres über den Gesundheitszustand der Opfer berichten. Auch viel Positives: Die ersten Patienten werden entlassen und können nach Hause reisen.

Beim SOS-Team in Dornach glühen in den nächsten 48 Stunden die Leitungen. Angehörige wollen informiert, die Rückholung der Reiseteilnehmer muss nach und nach je nach Zustand organisiert werden. Auch die acht Toten müssen rückgeführt werden. ­Einige Familien von Opfern wollen den Unglücksort und ihre ­Angehörigen in den Krankenhäusern besuchen. Die Mitarbeiter der Hotline organisieren zusammen mit dem Veranstalter Unterkünfte und Reisen und kümmern sich um den Ablauf. Auch der Chef von Sonnenbank-Reisen macht sich persönlich ein Bild der Lage und spricht mit einigen der Verletzten. Mit Unterstützung der Krisen-PR gibt er anschließend eine bewegende Pressekonferenz. Schon bald können die letzten Teilnehmer der Reisegruppe entlassen oder in deutsche Krankenhäuser überführt werden.

 
Nachgefragt
»DIE WIRKLICHKEIT HAT IHR EIGENES DREHBUCH«
Wissen, was im Ernstfall zu tun ist. SOS-Einsatzleiterin Christine Kübler über die Kunst, auch im Chaos einen kühlen Kopf zu behalten, und was Unternehmen hilft, Imageschäden zu vermeiden

Frau Kübler, was machen Sie, wenn Sie einen SOS-Anruf erhalten?

Die erste Meldung kommt auf unterschiedlichen Wegen zu uns. Es kann sein, dass jemand im Kundenservice-Center oder bei der 24-Stunden-Hotline von Allianz Travel anruft. »In den Nachrichten war etwas über einen Busunfall. Meine Tochter ist bei Ihnen reiseversichert, haben Sie was darüber gehört?« Oder der Reiseveranstalter informiert uns. Dann fangen wir an zu recherchieren. Ruft uns ein Kunde mit einem SOS-Vertrag an, so wird innerhalb von drei Stunden ein Team zusammengestellt und eine Hotline eingerichtet.

Sie haben oft mit Unfällen mit Toten und ­Verletzten zu tun. Wie behält man einen kühlen Kopf?

Wir sind alle psychologisch geschult und gut auf Schadensszenarien vorbereitet. Doch die Wirklichkeit hat ihr eigenes Drehbuch. Jede Krise ist Chaos. Die Kunst ist, das Durcheinander zu lieben, um es zu bewältigen. Das heißt, Ruhe bewahren, wenn es hektisch wird. Mir hilft auch meine private Erfahrung als Rettungshundeführerin. Schon seit meiner Kindheit bin ich ein Blaulicht-Junkie: Mein Vater war bei der Bergwacht und nahm mich früh mit zu Einsätzen.

Wie bewältigt man eine Krise am besten?

Mit Ehrlichkeit. Angehörige von Opfern spüren das instinktiv. Generell sollte man frühzeitig und so offen wie möglich kommunizieren. Dazu gehört Mut. Aber es bringt nichts, eine Krise unter dem Deckel halten zu wollen. Im Gegenteil – der Imageschaden kann riesig werden, wenn man versucht, auf Zeit zu spielen.

 
 
 
Gut zu wissen
SOS Krisen­management – Leistungen
  1. Krisen-PR: Organisation der Presse­arbeit im Unglücksfall. Kosten­über­nahme von bis zu 25.000 Euro für Pressekonferenzen, PR-Mitteilungen etc.
  2. Telefonhotline: Schaltung einer kostenfreien Rufnummer und Bear­beitung von Anrufen Angehöriger, der Presse und Dritter im SOS Soforthilfe Call Center.
  3. Telefonservice aktiv: Kontakt­auf­nahme zu den Angehörigen der Be­troffenen durch speziell ausgebildete Mitarbeiter und Psychologen. Bis zu ein Jahr lang nachsorgende Imagepflege durch telefonische Kontaktaufnahme mit Betroffenen oder Angehörigen.
  4. Assistance: Organisation und Umsetzung aller notwendigen Rück­führungsmaßnahmen. Kostenübernahme bis zu 20.000 Euro für Anreise und Unterkunft von Angehörigen oder einem Unternehmensvertreter zum Unglücksort.
  5. Weiterführende Informationen finden Sie auf den Seiten von Allianz Partners.
 

Bildquellen

Allianz Krisenmanagement: Illustrationen: Jan Steins