Reportage aus dem Erzgebirge

Einblicke in eine Teddybär-Klinik

14. Dezember 2020 – Text: Detlef Dreßlein
In einem 400 Jahre alten Häuschen hoch oben im Erzgebirge lebt Dorothea Siegel. Ähnlich märchenhaft klingt das, was sie tut: Sie repariert Teddybären. Und sie arbeitet nebenberuflich für die Allianz. So ist Dorothea Siegel eine doppelte Bereicherung für ihr Umfeld: Sie beseitigt Kuscheltier-Schäden und macht damit vor allem Kinder glücklich. Und sie hilft Erwachsenen, gut versichert zu sein. 
Dorothea Siegel und Kurt Siegel vor ihrem Elternhaus im Erzgebirge. Gut 500 Teddybären hat sie bereits gefertigt. Fotos: Felix Adler
Der Sinn des Lebens besteht aus 23 Teilen. Denn aus so vielen Einzelstücken setzt sich normalerweise ein Teddybär zusammen. Und ein Leben ohne Teddybären erscheint sinnlos. Das könnte zumindest das Fazit eines Besuchs bei Dorothea Siegel sein. Sie lebt in Bockau, einem Dörfchen mit gerade einmal 3000 Einwohnern, hoch oben im bergigen Umland von Aue im Erzgebirge. In einem Haus, das bereits 1609 erbaut wurde. Und das teilt sie nicht nur mit ihrem Gatten Kurt, sondern mit mehr als hundert Teddybären. Allein im Zimmerchen gleich neben der Haustür tummeln sich einige. Der Brummel, der Emil und der Hugo. Der Ben nicht mehr, der ist jetzt in Kanada – und damit der Teddy aus Dorothea Siegels Werkstatt, der am weitesten weg lebt.

Gut 500 Bären hat Dorothea Siegel in den letzten Jahren gefertigt. 1996 nähte sie ihren ersten Teddy. Alles Handarbeit. Es begann mit Stofftieren. Die gab es in der DDR nicht, zumindest keine besonders ansehnlichen. Und so bastelte Dorothea Siegel jedem ihrer drei Kinder zu Weihnachten ein neues Stofftier. Wie es aussehen sollte, das durften sich Anja, Christian und Thomas selbst aussuchen. Und so kamen über die Jahre Hund, Maus, Schildkröte, Clown, Katze, Fuchs, der Hugo mit den langen Beinen und noch viele andere Kuschelgenossen auf die Welt. Allesamt entworfen und bis zum letzten Nadelstich handgemacht von Dorothea Siegel. Irgendwann hat sie dann mal einen ersten Teddy probiert. Es kamen weitere dazu, wovon die Inhaberin eines Spielzeugladens im nahen Aue erfuhr, die die Teddys in ihrem Schaufenster ausstellte. Sie wurden schnell zum Verkaufsschlager.

Wobei Dorothea Siegel bis heute nicht an Profit denkt. Sie macht die Bären ausschließlich auf Anfrage, verkauft oder wirbt auch nicht übers Internet – alles ist reine Empfehlung und Mundpropaganda. »Ich lern gern die Leute kennen, die einen bestellen«, sagt sie. Man sollte sich also schon auf den Weg ins Erzgebirge machen. Nur einmal wich sie davon ab, die Käuferin zahlte nicht, erst nach langem Hin und Her bekam sie das Geld. Aber lieber hätte sie den Bären wieder. »Denn den gönn ich ihr nicht mehr, da ist schließlich immer auch ein bissl Herzblut dabei«, sagt Dorothea Siegel.

Zurück zum Sinn des Lebens. Das mag eingangs etwas übertrieben gewirkt haben, aber wenn Dorothea Siegel von einigen ihrer Kunden erzählt, wird es verständlicher. Da sind die Kinder, die nicht ohne Teddy in die Schule oder den Kindergarten gehen wollen. Da muss sie dann spontan den Notarzt geben. Denn selbstverständlich repariert sie auch Bären. Ein abgerissenes Ohr oder Bein ist binnen Stunden narbenfrei versorgt.
In dem kleinen Zimmerchen gleich rechts neben dem Eingang war einst die Schneiderwerkstatt von Dorothea Siegels Vater und Großvater.
Oder die Geschichte des Mannes, der zu seinem 50. Geburtstag den Wunsch hatte, den Teddy seiner Kindheit wiederzubekommen. Er fand aber kein vergleichbares Modell. Erst Dorothea Siegel konnte helfen, und sie fertigte nach exakter Beschreibung den Traumbären. Denn: »Jeder Bär sieht anders aus«, sagt sie, »die Augenfarbe und -form, der Mund, das Fell, die Größe«, all das wirke eben immer wieder neu und anders zusammen. Eine andere Geschichte, an die sie sich auch heute noch erinnert, war die von dem Mann aus einem Nachbarort, der unbedingt einen ganz bestimmten Teddy aus ihrem Bärenzimmer haben wollte. Dorothea Siegel wollte den aber nicht verkaufen, bot an, einen ähnlichen neu zu fertigen. Der Mann erzählte ihr dann, dass er bald sterben würde. »Zwei Wochen später war dann die Todesanzeige in der Zeitung«, erinnert sie sich. Den Bären hatte sie ihm natürlich überlassen, »der hat ihn dann seiner Frau als Andenken vermacht«. Die andere nachhaltig wirkende Erinnerung ist die an das leukämiekranke Kind, das immer seinen Teddy mit auf der Intensivstation hatte, sodass der nach einiger Zeit kaputtging. »Eigentlich ein vergebliches Ding, aber ich hab ihn trotzdem repariert gekriegt.«
»Man ist nie zu alt für einen Teddy«
Dorothea Siegel
Bis zu 15 Arbeitsstunden steckt Dorothea Siegel in jeden neuen Bär, und ihr Stundenlohn beträgt meist nur zehn oder zwölf Euro. Allein das händische Ausstopfen mit Holzwolle dauert lang und kostet viel Kraft. Industriell gefertigte Bären sind voll mit Synthetik, »aber die Holzwolle fühlt sich viel besser an, und der Bär behält immer seine Form«, sagt sie. Wenn ein Teddy fertig ist, bekommt er eine Geburtsurkunde, mit dem Namen, den sich der Kunde aussucht, und mit Angaben zu Größe, Gewicht und Material. Und einer Widmung: »Zum ersten Geburtstag … oder auch zum Achtzigsten«, berichtet Dorothea Siegel. Womit wir wieder beim Sinn wären, denn Teddybären mag jeder in jedem Alter. »Man ist nie zu alt für ­einen Teddy.« Viele der Teddybären besitzt sie heute noch und würde sie auch nie abgeben. Es hat sich ein netter Nebenjob für die Bockauer Bärenfamilie ergeben. Zusammen mit ihrem Mann Kurt, der für alles Handwerkliche und Technische zuständig ist, baut sie ganze Teddybärwelten. Panoramen, rund drei Meter breit und zwei Meter tief. Es gibt Kulissen wie ein Fotoatelier, eine Backstube oder ein Schulzimmer. Dazu nutzen die Siegels Originale, alte Utensilien wie Schulhefte oder Spielzeug aus grauer Vorzeit. Zu sehen sind die Szenarien in Einkaufszentren oder auf Teddyausstellungen in Hamburg, Berlin, Dresden, Potsdam oder auch auf Rügen. Die Bären, alle handgemacht und zwischen vier und 95 Zentimeter groß, tragen ebenfalls von Dorothea Siegel aus alten Stoffen handgenähte Kostüme.
Auch Kurt Siegel hat eine kleine Werkstatt. Er ist quasi der Assistenzarzt in der Teddyklinik, schnitzt aber auch gern.

Denn das Schneidern hat sie schon als Kind gelernt. Genau in dem Zimmer, wo heute auf ein paar Quadratmetern zig Bären leben, war einst die Schneiderwerkstatt ihres Vaters und Großvaters. Und obwohl dieses Handwerk seit Generationen ausgeübt wurde, bekamen Dorothea und ihre drei Schwestern nicht allzu oft neue Kleidung. Dazu fehlte das Geld. Also brachte sie sich alles ­Nötige mit Vaters Hilfe bei und nähte sich aus alten Stoffen neue Kleider.

Bei all dem möchte man kaum glauben, dass das nicht Dorothea Siegels einziger Herzensjob ist, denn sie hat noch einen anderen, in den sie genau so viel Energie, Liebe und Zeit steckt. Und den sie auch schon viel länger ausübt – seit genau 36 Jahren nämlich verkauft sie Versicherungen. Anfangs für die Staatliche Versicherung der DDR. Ein guter Nebenjob damals, weil sie wegen der Erziehung ihrer drei Kinder nicht mehr in ihrem Vollzeitberuf als Maschinenbauzeichnerin arbeiten konnte. Denn dass jedes Kind in der DDR einen Kindergartenplatz gehabt hätte, das war keineswegs so.

Nicht all ihre Teddys sind käuflich, viele behält Dorothea Siegel auch und würde sich nie von ihnen trennen.

Anfangs ging es mit Marken von Tür zu Tür, nach der Wende änderte sich fast alles, seither ist sie NV für die Allianz. »Ich musste immer lernen, man muss ja Bescheid wissen – erst die Wende, dann alles am Computer.« Zwei bis drei Stunden investiert sie jeden Tag, auch um für ihre Kunden das Beste herauszuholen. Kürzlich war jemand da, der sich ein E-Bike gekauft hatte. Siegel arbeitete sich flugs ins Thema ein, um ihm die passende Versicherung zu schneidern.

Heute betreut sie etwa 350 Kunden in und um Bockau. Auch ein Großkunde mit rund hundert Beschäftigten ist dabei. Seit April arbeitet sie mit LKB Kristin Götz aus dem Betreuungsgebiet Annaberg-Buchholz ­zusammen, die ihr viel Raum lässt. »Sie hat sich sehr in die Technik reingefuchst und macht vieles selbstständig und kriegt das auch gut hin. Und das entlastet mich enorm. So muss ich mich nicht um jeden kleinen Vertrag kümmern«, sagt Kristin Götz. Zumal derzeit wegen der Pandemie Kundenbesuche entfallen. Auch Dorothea ­Siegel mag es, dass sie nun wieder selbstständiger arbeiten kann.

Als Kristin Götz zum ersten Mal das Teddybären­zimmer in Bockau betrat, »war ich überwältigt, dass es überhaupt so etwas gibt und wie viele Leute es begeistert«. Ein paar Stunden am Tag müssen die Bären auf Dorothea ­Siegel verzichten, da kümmert sie sich um Versicherungen. »Ich hab mir angewöhnt, immer eine offene Haustür zu haben. Wenn Kundinnen oder Kunden Sorgen haben oder ein Anliegen, dann kommen sie einfach vorbei.« Schließlich ist inmitten von freundlich blickenden Teddys kein allzu schlechter Platz, um sich über die Geborgenheit einer guten Ab­sicherung zu unterhalten.

 
Versicherung fürs Hab und Gut
"Wenn Sie das Haus umdrehen könnten – alles was rausfällt, gehört zum Hausrat.« So erklärt ­Kristin Götz, LKB im Betreuungsgebiet Annaberg-Buchholz, die Hausratversicherung. Mitversichert sind auch Teddybären. Gegen Leitungswasser- und Brandschäden, Einbruch oder Diebstahl, aber auch gegen grobe Fahrlässigkeit. Für teure Möbel wichtig: die Neuwertentschädigung. »Selbst wenn das Stück schon Jahre alt ist, wird geschaut, was es neu kosten würde«, sagt Kristin Götz. Ihre persönliche Empfehlung: der Handwerkerservice der Hausrat- und Gebäudeversicherung. »Der nimmt enorm viel Arbeit ab." Denn Handwerkersuche und Abrechnung übernimmt die Allianz.
  

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teddybaeren-reparatur-erzgebirge-1: Felix Adler