Gut 500 Bären hat Dorothea Siegel in den letzten Jahren gefertigt. 1996 nähte sie ihren ersten Teddy. Alles Handarbeit. Es begann mit Stofftieren. Die gab es in der DDR nicht, zumindest keine besonders ansehnlichen. Und so bastelte Dorothea Siegel jedem ihrer drei Kinder zu Weihnachten ein neues Stofftier. Wie es aussehen sollte, das durften sich Anja, Christian und Thomas selbst aussuchen. Und so kamen über die Jahre Hund, Maus, Schildkröte, Clown, Katze, Fuchs, der Hugo mit den langen Beinen und noch viele andere Kuschelgenossen auf die Welt. Allesamt entworfen und bis zum letzten Nadelstich handgemacht von Dorothea Siegel. Irgendwann hat sie dann mal einen ersten Teddy probiert. Es kamen weitere dazu, wovon die Inhaberin eines Spielzeugladens im nahen Aue erfuhr, die die Teddys in ihrem Schaufenster ausstellte. Sie wurden schnell zum Verkaufsschlager.
Wobei Dorothea Siegel bis heute nicht an Profit denkt. Sie macht die Bären ausschließlich auf Anfrage, verkauft oder wirbt auch nicht übers Internet – alles ist reine Empfehlung und Mundpropaganda. »Ich lern gern die Leute kennen, die einen bestellen«, sagt sie. Man sollte sich also schon auf den Weg ins Erzgebirge machen. Nur einmal wich sie davon ab, die Käuferin zahlte nicht, erst nach langem Hin und Her bekam sie das Geld. Aber lieber hätte sie den Bären wieder. »Denn den gönn ich ihr nicht mehr, da ist schließlich immer auch ein bissl Herzblut dabei«, sagt Dorothea Siegel.
Denn das Schneidern hat sie schon als Kind gelernt. Genau in dem Zimmer, wo heute auf ein paar Quadratmetern zig Bären leben, war einst die Schneiderwerkstatt ihres Vaters und Großvaters. Und obwohl dieses Handwerk seit Generationen ausgeübt wurde, bekamen Dorothea und ihre drei Schwestern nicht allzu oft neue Kleidung. Dazu fehlte das Geld. Also brachte sie sich alles Nötige mit Vaters Hilfe bei und nähte sich aus alten Stoffen neue Kleider.
Bei all dem möchte man kaum glauben, dass das nicht Dorothea Siegels einziger Herzensjob ist, denn sie hat noch einen anderen, in den sie genau so viel Energie, Liebe und Zeit steckt. Und den sie auch schon viel länger ausübt – seit genau 36 Jahren nämlich verkauft sie Versicherungen. Anfangs für die Staatliche Versicherung der DDR. Ein guter Nebenjob damals, weil sie wegen der Erziehung ihrer drei Kinder nicht mehr in ihrem Vollzeitberuf als Maschinenbauzeichnerin arbeiten konnte. Denn dass jedes Kind in der DDR einen Kindergartenplatz gehabt hätte, das war keineswegs so.
Anfangs ging es mit Marken von Tür zu Tür, nach der Wende änderte sich fast alles, seither ist sie NV für die Allianz. »Ich musste immer lernen, man muss ja Bescheid wissen – erst die Wende, dann alles am Computer.« Zwei bis drei Stunden investiert sie jeden Tag, auch um für ihre Kunden das Beste herauszuholen. Kürzlich war jemand da, der sich ein E-Bike gekauft hatte. Siegel arbeitete sich flugs ins Thema ein, um ihm die passende Versicherung zu schneidern.
Heute betreut sie etwa 350 Kunden in und um Bockau. Auch ein Großkunde mit rund hundert Beschäftigten ist dabei. Seit April arbeitet sie mit LKB Kristin Götz aus dem Betreuungsgebiet Annaberg-Buchholz zusammen, die ihr viel Raum lässt. »Sie hat sich sehr in die Technik reingefuchst und macht vieles selbstständig und kriegt das auch gut hin. Und das entlastet mich enorm. So muss ich mich nicht um jeden kleinen Vertrag kümmern«, sagt Kristin Götz. Zumal derzeit wegen der Pandemie Kundenbesuche entfallen. Auch Dorothea Siegel mag es, dass sie nun wieder selbstständiger arbeiten kann.
Als Kristin Götz zum ersten Mal das Teddybärenzimmer in Bockau betrat, »war ich überwältigt, dass es überhaupt so etwas gibt und wie viele Leute es begeistert«. Ein paar Stunden am Tag müssen die Bären auf Dorothea Siegel verzichten, da kümmert sie sich um Versicherungen. »Ich hab mir angewöhnt, immer eine offene Haustür zu haben. Wenn Kundinnen oder Kunden Sorgen haben oder ein Anliegen, dann kommen sie einfach vorbei.« Schließlich ist inmitten von freundlich blickenden Teddys kein allzu schlechter Platz, um sich über die Geborgenheit einer guten Absicherung zu unterhalten.
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Teddybären Reparatur Erzgebirge: Bildrechte beim Autor
teddybaeren-reparatur-erzgebirge-1: Felix Adler